Alternatives Netzwerk
Ist Mastodon die Social Media Alternative, auf die wir gewartet haben?
Der gute Ruf von sozialen Medien ist schon lange dahin. Immer neue Skandale um Verstöße gegen Datenschutzrichtlinien, den Umgang mit Hassnachrichten und Manipulation von Nutzer:innen haben den Glauben an das Gute in den Netzwerken erschüttert. Vor rund einem Jahrzehnt sah das noch anders aus: im Angesicht der vor allem über Twitter organisierten Proteste des arabischen Frühlings glaubten viele, die sozialen Medien könnten der Schlüssel zu mehr Demokratie auf der Welt sein.
Vom Heilsbringer zur Gefahr für das soziale Miteinander
Doch spätestens seit Mitte der 2010er sind Facebook & Co. ein Hort des Hasses, besonders bei Themen wie der Flüchtlingskrise 2015 oder dem Brexit-Referendum und der US-Präsidentschaftswahl 2016. Dabei muss man im Hinterkopf behalten, dass diese Dynamiken den sozialen Netzwerken mehr genutzt, denn geschadet haben. Populistische Äußerungen und Fake News zu Aufregerthemen sorgen für deutlich mehr Traffic als differenzierte und komplexe Debatten – als gewinnorientierte Unternehmen entschieden sich die sozialen Medien allzu oft dafür, erstere durch ihre Algorithmen mit zusätzlicher Aufmerksamkeit zu belohnen.
Das freundliche soziale Netzwerk von nebenan
Anders macht es hingegen das Open-Source-Netzwerk Mastodon. Das in Deutschland gegründete und gemeinnützige Mastodon ist eine Alternative zu herkömmlichen Plattformen, die einen dezentralen Ansatz verfolgt. Dabei kann jede:r mithilfe des Open-Source-Codes einen Server, eine sogenannte Instanz einrichten, auf der sich Nutzer:innen austauschen können. Dadurch wird gewährleistet, dass kein Unternehmen die Geschicke des Netzwerks über zentrale Server lenkt. Allerdings sind die Serverhosts dadurch auf Spenden angewiesen, um die Unterhaltungskosten der Server zu zahlen.
Wie funktioniert Mastodon?
Die Funktionen auf Mastodon ähneln Twitter. Die Tröts, so heißen die Posts, können bis zu 500 Zeichen lang sein, außerdem kann man Bilder und Videos teilen. Man kann wiederum Beiträge von Anderen „boosten“, also auf dem eigenen Profil anzeigen lassen, im Prinzip also retweeten. Die Instanzen sind durch ein gemeinsames Protokoll miteinander verbunden und ermöglichen so einen Austausch zwischen verschiedenen Communitys und sogar anderen Netzwerken wie etwa Peertube, einer Youtube-Alternative.
Ein cleveres Crossover
Diese Funktion klingt im ersten Moment recht unscheinbar, dabei ist sie in gewisser Weise doch revolutionär – man stelle sich vor, man könnte mit einem Twitter-Account einem Youtube-Kanal folgen. Das ist durch die Konkurrenz der beiden Unternehmen unmöglich und zwingt die Nutzer:innen, sich für jede Plattform ein eigenes Konto anzulegen. Im Fediverse, dem „Universum“ der dezentralen Netzwerke, funktioniert das jedoch, denn sowohl Mastodon als auch Peertube basieren auf dem Protokoll ActivityPub, das diese Kompatibilität ermöglicht.
Content-Moderation in Eigenregie
Mit rund viereinhalb Millionen Nutzer:innen weltweit spielt Mastodon natürlich nicht in der selben Liga wie die etablierten sozialen Netzwerke, aber das muss auch gar kein Nachteil sein: viele Nutzer:innen schwärmen vom zivilisierten Umgang auf der Plattform, was zum Teil auch daran liegt, das die Hosts der Instanzen selbst Mitglieder der Community sind und sich deswegen um ein angenehmes Kommunikations-Klima kümmern.
Mastodon wird nun sicher Twitter nicht ablösen, aber es ist eine spannende Alternative für Menschen (und Behörden), denen Datenschutz wichtig ist und die keine kommerziellen Netzwerke unterstützen möchten.