Kaffeepause mit …
Entscheidungswissenschaftlerin Dr. Verena Utikal
Wieso entscheiden wir uns, wie wir es tun? Wie kann man Verhaltensweisen beeinflussen? Welchen Denkfehlern fallen wir immer wieder zum Opfer? Dr. Verena Utikal ist Expertin für Behavioral Economics und kennt sich mit menschlichen Entscheidungen aus. Nach mehreren Jahren als Professorin an der FAU Erlangen-Nürnberg und der Universität Ulm, hilft sie mittlerweile als Consultant auch Firmen und Einzelpersonen dabei, verhaltensökonomische Erkenntnisse in den Alltag zu integrieren.
Wie trinken Sie ihren Kaffee?
Mit 1/3 Milch.
Wenn keine Milch da ist, dann lieber keinen Kaffee, stattdessen Tee.
Was lesen Sie gerade? Haben Sie einen Buchtipp für uns?
Auf meinem Nachttisch liegt immer ein Roman, das brauche ich zum Runterkommen und Einschlafen. In den letzten Wochen waren unter anderen zwei Highlights dabei:
– „Das neue Buch“ von Rafael Horzon
Herrlich komisch, weil nie ganz klar ist, ob das jetzt echt oder Fiktion ist. Um das noch zu verstärken: Der Autor hat sogar Wikipedia verklagt weil er nicht als Künstler beschrieben werden will, sondern als „Sachbuchautor“.
– „Hamster im hinteren Stromgebiet“ von Joachim Meyerhoff
Traurig und lustig zugleich. Ein autobiographischer Roman über einen Schlaganfall und die Erinnerungen, die einen so einholen, während man versucht gesund zu werden.
Womit beschäftigt sich die Verhaltensökonomie und wie lassen sich deren Erkenntnisse im Alltag anwenden?
Die Verhaltensökonomie (oder auch Behavioral Economics) beschäftigt sich mit Entscheidungen von Menschen in ökonomischen Situationen. Das bedeutet mit Entscheidungen, in denen irgendetwas knapp oder selten ist, zum Beispiel Geld, Zeit, Aufmerksamkeit, Liebe …
Dazu gehören natürlich auch alltägliche Entscheidungen, denn auch hier erfahren wir Beschränkungen. Uns interessiert, wie sich Menschen verhalten, wann sie rational agieren und wann nicht, wann Fehler passieren, und welche Rahmenbedingungen Menschen rationaler, großzügiger, ehrlicher oder auch einfach nur glücklicher machen.
Was fasziniert Sie an der Verhaltens- und Entscheidungsforschung?
Alles was wir tun, unser gesamtes Verhalten, basiert auf zuvor getroffenen Entscheidungen. Diese Entscheidungen mögen manchmal unbewusst abgelaufen sein, aber sie sind definitiv der Anfang jeder Aktion. Zu verstehen, wie wir entscheiden, und wie Entscheidungen und Verhalten verändern können, ist unheimlich spannend. Mein Ansatz ist es, diese Evidenz zu verwenden um Menschen und Unternehmen zu unterstützen bessere Entscheidungen zu treffen.
In Ihrer Beratung bieten Sie an, „Entscheidungsprozesse zu optimieren“ – Wie sieht ein optimierter Entscheidungsprozess aus und wozu ist das überhaupt wichtig?
Gerade Unternehmen verlieren viel Zeit und Geld mit unstrukturierten Entscheidungsprozessen. Das fängt an mit unklar definierten Zielen, geht weiter mit ineffizienten Meetings und Biases oder Verzerrungen in Entscheidungen.
Hier kann man mit kleinen Veränderungen eine große Wirkung erzielen. Es ist wichtig, den Entscheidungsprozess zu durchleuchten, um zu erkennen, wo Störungen auftreten. Anschließend designen wir gemeinsam Maßnahmen um das gewünschte Verhalten zu erreichen.
Sie enttarnen auch Denkfehler. Was ist ein beliebter Denkfehler, der sich bei uns Menschen oft einschleicht?
Unsere Intuition leistet uns gute Dienste. Bauchentscheidungen sind schnell, einfach und kosten wenig Energie. Deshalb greifen wir so gerne darauf zurück – oft ohne das Bauchgefühl kognitiv zu beleuchten. Dann können systematische Denkfehler oder auch intuitive Verzerrungen oder Biases passieren.
Mein Lieblingsbeispiel ist folgendes:
Stellen Sie sich vor eine Pizza und eine Cola kosten zusammen 11 Euro. Die Pizza kostet 10 Euro mehr als die Cola. Wie viel kostet die Cola?
70-80% der Menschen haben ein sofortiges Bauchgefühl, das ihnen zuschreit: „1 Euro! Die Cola kostet 1 Euro!“. Wenn man sich die Zeit nimmt, und nochmal darüber nachdenkt, fällt natürlich sofort auf, dass das nicht stimmen kann (denn sonst würde die Pizza ja 11 Euro kosten und insgesamt wären wir bei 12 Euro).
Sich Zeit nehmen, unsere Kognition bemühen, hilft also, unser Bauchgefühl, das so gerne vereinfachte Abkürzungen wählt, auszubremsen und auf den rationalen Weg zu führen.
Dieses „Vereinfachen“ passiert in vielen Entscheidung-Situationen ganz unbewusst:
Ein Mitarbeiter wird eingestellt, weil er einem alten Freund ähnlich sieht (obwohl die neue Unternehmensrichtlinie eigentlich Diversität vorschreibt).
Ich suche nach Argumenten und höre auf zu suchen, sobald ich meine Meinung bestätigt sehe (obwohl ich eigentlich objektiv sein wollte).
Ich entscheide mich für die Auto-Marke, die ich schon letztes Mal gekauft habe (obwohl ich eigentlich vorhatte das Auto mit dem günstigsten Verbrauch zu wählen.)
Und wie kann man solchen Denkfehlern entgegenwirken? Geht das überhaupt? Wie schafft man es, sich gute Verhaltensweisen anzutrainieren?
Ein klassischer Denkfehler ist die optische Täuschung. Diese zeigt auch die grundsätzliche Systematik: Nur weil man die Täuschung kennt, ist man leider nicht davor gefeit.
Bei intuitiven Verzerrungen funktioniert das ähnlich. Sie zu kennen, macht sie leider nicht unschädlich. Aber sie zu kennen hilft aufmerksam zu sein. Man ist vorgewarnt und weiß, in welchen Situationen es Hindernisse gibt und man genauer hinschauen muss. Perfekt ist es, wenn man passgenaue Interventionen entwickelt, mit denen man diese Hindernisse überwinden oder (wenn das nicht geht) zumindest umgehen kann.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, das nächste große Cover einer weltweit aufgelegten Zeitschrift zu entwerfen, was würden Sie drauf machen?
Ich träume mal ein bisschen:
Ich würde gerne das Cover der „Corona ist vorbei“-Zeitschrift entwerfen. In dieser Zeitung würden alle Veranstaltungen angekündigt, mit der das Ende der Pandemie weltweit gefeiert wird.
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