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Mentale Gesundheit

Letter to younger „Lou“

Für Social-Media-Unter­nehmerin Louisa Dellert waren die letzten zwölf Monate hart. Vor rund einem Jahr sagte sie im Titelstory-Interview: „Man muss sich permanent challengen, um die Bedürfnisse von sich selbst und der umgebenden Community zu befriedigen.“ Der Erfolgsdruck mündete für sie im Sommer 2023 in einer depressiven Erschöpfung. Nun spricht sie im offenen Brief an sich selbst über anstrengende Zeiten und warnt: „Jede:r kann von Burnout eingeholt werden!“

Liebe Louisa,

diese Zeilen erreichen dich im Alter von zwölf, während du gerade mit einem Spielzeugmikro in der Hand auf deinem Bett auf und ab springst. Vor dem Kinderzimmerspiegel und deinem fantasierten Publikum übst du, um mal Animateurin zu werden. Gute Nachrichten: In ­gewisser Weise ­werden wir das erreichen! Social Media heißt unsere Plattform der Zukunft. Wir sind ziemlich gut als Influencerin für Nachhaltigkeit und moderieren im TV und Podcast. Viele Menschen ­suchen deine Nähe, wollen Content von dir, dich für deine Expertise buchen. Großartig, oder?

Im Frühling 2023 wirst du auf dem Rocketeer-Festival in Augsburg von der Bühne gehen. Unter großem Applaus, nachdem du über Umweltschutz und nachhaltige Kommunikation performt hast. Doch statt wie üblich Adrenalin und Glück zu ­spüren, empfindest du gerade Erschöpfung und Leere. In den Folgemonaten hangelst du dich in ­einem übertrieben vollgepackten Terminkalender von Event zu Event. Als du eines Mittags im ­Supermarkt stehst und ein simpler Einkaufszettel darauf abzielt, eine simple Entscheidung für das Abendessen zu treffen, bricht das Kartenhaus und auch du unter Tränen zusammen.

Kurze Zeit später sitzt du beim Arzt und ­ein Wisch, wo „depressive Erschöpfung“ draufsteht, zwingt dich zum „Nichts geht mehr“. Du musst Vorträge stornieren, ein paar Mitarbeiter:innen deiner Beratungsagentur ­eventuell hängen lassen und ­deinen Liebsten alles verklickern: „Ich habe mein ­Limit überschritten.“ Das alles liegt an unseren ­inneren Antreibern und der eigenen Erwartungs­haltung. Uns beschäftigt die wirtschaftliche Verantwortung für unsere Marke und das Team. Wir haben zu lange Kieselsteine und Felsbrocken an mentalen Herausforderungen gesammelt. Es gab keine Pausen zum Durchschnaufen. Am Ende wurde es zu einer echten Krankheit.

Du wirst dein berufliches Glück in einer Arbeitswelt finden, in der Leistung die Persönlichkeit ­definiert. Niemand nimmt sich mehr die Zeit, in sich hineinzuspüren und zu prüfen „Tue ich etwas, was mir Spaß macht?“ Termine, Netzwerken, Verpflichtungen – der Druck wird enorm. Du wirst ein kapitalistisches Wirtschaftssystem erleben, das Menschen buchstäblich krank macht. Burnout und Depression werden fast jede:n um dich erwischen. Doch die wenigsten werden es sich eingestehen. Ich bitte dich einfach, die Vorzeichen zu erkennen und deine Mitmenschen, die Ähnliches erfahren, auf dem Weg zu mehr Bewusstsein mitzunehmen. Wir alle können nämlich betroffen sein!

Aktuell durchlebst du die Scheidung unserer ­Eltern. Es ist hart. Aber wisse eines: Du bist absolut nicht verantwortlich für die Emotionen oder die Harmonie aller Menschen in unserem Leben! Du musst nichts ausgleichen und aufrechterhalten. Es ist völlig okay, wenn du in Zukunft nicht immer jeder:m hilfst. Sowohl privat als auch beruflich. Du darfst dich um dich selbst kümmern und auch dein Glück zulassen! Ich hoffe, dieser Ratschlag kommt rechtzeitig. Dein älteres Ich erholt sich gerade. Wir spüren uns so langsam wieder und auch das ­Gefühl, einfach mal Spaß haben zu dürfen. Sorge dafür, dass das nicht aufhört.

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