Mangelware Diversity
Wie deutsche Unternehmen sich selbst schaden
Die Initiative Beyond Gender rief in diesem Frühjahr gemeinsam mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg den German Diversity Monitor ins Leben, der in Zukunft jährlich die Diversität in den Vorständen und Geschäftsführungen führender deutscher Unternehmen unter die Lupe nimmt. Die Studie setzt sich aus der Analyse der Geschäftsberichte und einer Umfrage über die Wahrnehmung von Diversität der im DAX 30, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen zusammen.
Einzelkategorien statt umfassender Betrachtung: In vielen deutschen Unternehmen ist das Diversitätsverständnis unzureichend
Vor allem das allgemeine Diversitätsverständnis in den untersuchten Unternehmen wird in dieser ersten Ausgabe von den Studienverantwortlichen kritisiert. Man fokussiere sich zu stark auf einzelne Faktoren wie Geschlecht oder kulturelle Herkunft, statt einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Und auch in den Kategorien, die als Fokus gesehen werden, tut sich noch wenig. Der Großteil der Unternehmen hat keine einzige Frau in einer Vorstandsposition. Trotz einer Verdopplung der Anzahl an Frauen in den Vorständen zwischen 2015 und 2019 ist der Frauenanteil mit circa 10% immer noch sehr niedrig. Auch der durchschnittliche Anteil von Vorstandsmitgliedern mit Wurzeln außerhalb der DACH-Region liegt bei den analysierten Unternehmen bei nur etwa fünfzehn Prozent, womit verschiedene kulturelle Hintergründe kaum vertreten sind.
Viele Unternehmen sehen keinen Handlungsbedarf
Während die meisten untersuchten Unternehmen zwar von der mangelnden Vielfalt wissen, planen trotzdem nicht alle Änderungen. Etwa zwei Drittel wollen die Diversität im Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführung erhöhen. Doch zum Großteil handelt es sich dabei um diejenigen, bei denen bereits jetzt mehr weibliche und jüngere Kräfte in der Führungsetage sitzen. 32% der Befragten gab an, dass mehr Diversität im Führungsgremium aus ihrer Sicht nicht notwendig sei.
Verkanntes Potential: Diversität ist wirtschaftlich
Doch dass Diversität auch Wirtschaftlichkeit bedeutet, erkennen die meisten Unternehmen nicht. Im Diversity Monitor heißt es dazu: „Der wahre Wert von Diversität und einem inklusiven Arbeitsumfeld zeigt sich in der Einbindung von differenzierten Perspektiven in die Entscheidungsprozesse über alle Unternehmensbereiche hinweg. Diese Perspektivenvielfalt führt zu einer langfristigen Steigerung der Innovationskraft und letztendlich zur Entwicklung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.“
Die HR-Sicht: Bessere Zusammenarbeit, Kreativität und mehr Innovation
Die These, dass Vielfältigkeit in Unternehmen auch unabhängig von der Personalentwicklung eindeutige Vorteile mit sich bringt, belegen auch andere Studien. Im Februar 2020 befragte das Recruitingunternehmen truffls 1.000 Teilnehmer*innen zu ihrer Sichtweise und ihren Erfahrungen rund um Diversity in der Arbeitswelt. Die Befragten gaben an, in vielfältig zusammengesetzten Teams besser zusammenzuarbeiten, mit kreativeren und innovativeren Ergebnissen. Über die Hälfte der Befragten kamen außerdem zu dem Schluss, dass vielfältige Teams am Ende auch erfolgreicher sind. Auch aus HR-Sicht sind diverse Teams vielversprechend: 61% der in der Studie befragten HR-Mitarbeiter*innen sehen in ihnen eine bessere Zusammenarbeit. Auch gestärkter Kollegenzusammenheit und höhere Motivation sind aus HR-Sicht Merkmale von Vielfältigkeit innerhalb des Unternehmens.
Diversität ist keine bloße Imagesache
Diversität wird oft als reine Werteorientierung missverstanden, oder zu Marketingszwecken vorgeschoben. Doch dass es sich nicht nur aus Imagezwecken lohnt, verschiedene Perspektiven im Unternehmen vertreten zu haben, sollte eigentlich längst klar sein. Mehr Austausch, mehr potentielle Kontakte, mehr Kreativität und Innovation und vor allem nachweisbar erfolgreichere Teams sind alles Folgen von Vielfältigkeit. Dass diese in deutschen Unternehmen so oft noch zu wünschen übrig lässt ist also nicht nur für die Betroffenen ein Nachteil, sondern schadet auch den Unternehmen selbst.