Kaffeepause mit …
Frank Salzgeber – Leiter des Technology Transfers bei der ESA
Wie trinkst du deinen Kaffee?
Morgens Cappuccino nur mit Milch und ansonsten Espresso ganz schwarz.
Wie sieht dein Alltag zurzeit aus?
Sehr strukturiert und durchgetaktet, manchmal auch je halbe Stunde.
Ich versuche um 7:30 Uhr an meinen E-Mails zu sein und danach kurz mit den Hunden raus zu gehen und zu laufen. Es ist schön, wenn man dann schon ein paar E-Mails abgearbeitet hat und sich mental auf den Tag vorbereiten kann.
Ich habe mich im Home Office ganz gut eingerichtet und regele meine Meetings über Telefon, Teams oder Skype. Trotzdem reserviere ich Mittags immer Zeit für das gemeinsame Mittagessen mit meiner Familie oder für Hilfe bei den Hausaufgaben meiner Kinder. Ich versuche auch abends um fünf, halb sechs aufzuhören – diese Zeit ist mir wichtig und deshalb in meinem Kalender auch fast immer geblockt.
Ich denke die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit, beziehungsweise die Schaffung von ungestörten Freiräumen, ist sehr wichtig.
Was hast du zuletzt gelesen?
Eine kurze Geschichte der Menschheit – Yuval Noah Harari
Wobei Lesen aber für mich eher Urlaubsbeschäftigung ist. Im Alltag ist es leider schwer, dazu zu kommen.
Welche Technologien faszinieren dich zurzeit?
Generell natürlich alles was mit Raumfahrt zu tun hat. Da gibt es große Veränderungen – die Raumfahrt hängt stark mit unserer Digitalisierung zusammen, was zum Beispiel Navigation, die Erdbetrachtung und die Telekommunikation anbelangt.
Und wenn es nicht Raumfahrttechnologie ist, finde den Energie-Bereich sehr spannend. Früher wurde Energie nach Bedarf produziert und genau das dreht sich durch erneuerbare Energien jetzt um! Wir können nicht kontrollieren, wie viel Wind weht oder Sonne scheint. Das ist ein ganz großer Paradigmenwechsel, den ich spannend finde, weil er uns auch zum Umdenken zwingen wird. Weg von: Wir produzieren so viel wie gebraucht wird, hin zu: Wir produzieren und können nur so viel abnehmen, wie produziert wurde.
Wir werden unseren Strom in Zukunft angebotsbasiert verbrauchen – Was an sich kein Problem ist. Denn wenn die Kühltruhe nachts mal 10 Minuten aus ist, ist das keine große Sache.
Vor allem in der Solarenergie – die ja auch aus der Raumfahrt kommt – werden deshalb Speichertechnologien und die Möglichkeit, den Verbrauch zu puffern, immer wichtiger. Für richtigen Fortschritt wird hier aber immer noch zu viel reguliert. Warum kann ich beispielsweise nicht den Strom der Solarzellen meines Nachbarn kaufen?
Die ganze Energiewirtschaft ist meiner Meinung nach also extrem spannend, auch aufgrund der vielen Veränderungen die noch anstehen. Der Markt wird liberaler werden und viele werden noch ihr Monopol verlieren. Nachhaltigkeit muss sich rechnen und ich glaube das ist durchaus möglich.
Du sorgst dafür, dass Weltraumtechnologie auch auf der Erde genutzt wird. Was ist das Transferprojekt, das du persönlich am spannenden findest?
Es gibt ein ganz schönes bayerisches Projekt namens „Terra Plasma“. Hier geht es um kaltes Plasma, mit dem auf der Raumstation Experimente durchgeführt wurden. Auf der Erde wir dieses Plasma jetzt dazu verwendet, um Wunden zu sterilisieren! Beispielsweise bei Leuten die bettlägerig sind, oder Diabetes und dadurch Druckstellen haben. Die Wunde wird dann mit kaltem Plasma sterilisiert, um die Wundheilung zu fördern.
Gleichzeitig wird genau diese Technik auch dazu verwendet, um geruchsneutrale Fritteusen zu konstruieren, oder Abgase zu reinigen.
Das ist das spannende: Eine Technologie, die wir auf der Raumstation getestet haben, findet hier unzählige Anwendungen! Ein „Ideen-Recycling“ quasi.
Etwas Neues zu erfinden ist immer schwierig und mit vielen Investitionen und großem Zeitaufwand verbunden. Eine bereits vorhandene Erfindung wo anders anzuwenden ist viel günstiger und oft einfacher als zunächst angenommen.
Gibt es Weltraumtechnologie, die heutzutage aus keinem Haushalt mehr weg zu denken wäre?
Selbstverständlich! Bei einem einfachen Telefonanruf beispielsweise, funktioniert die Synchronisation der Basis-Stationen von Telekom und Vodafone über das Zeitsignal der Navigationssatelliten. Das gleiche gilt für den Strom aus der Steckdose oder die Navigation per GPS/GNSS. Es denkt auch kaum einer darüber nach, dass das Fernsehen über die Satellitenschüssel nur wegen den unzähligen Satelliten in der Erdumlaufbahn funktioniert, die eine Rakete da mal hoch geschossen hat.
Die Telekommunikation der Vergangenheit basiert also auf Weltraumtechnologie und die Zukunft wird dann das Internet über Satelliten sein, denn nur so kann eine weltweite Abdeckung überhaupt funktionieren.
Man denkt oft nur an Hardware – wie beispielsweise den Akkuschrauber, der ja auch eine Erfindung für eine Raumstation war – aber Technologie ist vor allem auch Software, Daten und Signale. Der Weltraum ist in unsere Alltag sehr viel präsenter, als man oft annimmt. Eine gute Technologie ist eine gute Technologie, wenn man sie nicht sieht!
Dich lädt jemand auf einen Linienflug ins All ein – wärst du mit an Bord?
Ja, selbstverständlich. Ich müsste zwar noch meine Frau fragen, die das wahrscheinlich nicht so gut fände, aber es ist ja ein Linienflug!
Ich wurde mal gefragt, mit wem ich lieber fliegen würde: Jean Luc Picard oder Captain Kirk. Meine Antwort wäre Picard. Aber selbstverständlich wäre ich mit an Bord – die Faszination Raumfahrt begleitet mich schon sehr lange.
Was ist wichtig, um Innovation voran zu bringen?
„Wenn man als Ingenieur ein neues mechanisches System baut, entsteht Reibung. Wenn es keine Reibung gibt, hat man etwas falsch gemacht.“ Das ist ein schönes Zitat meines ehemaligen Generaldirektors, das sich auch auf Innovation übertragen lässt. Man muss den Status quo immer hinterfragen, denn man will ja vor der Krise sein und nicht nach der Krise. Das ist nicht immer angenehm – daher auch mein persönlicher Lieblingstitel als „chief devil officer“.
Es gab einen sehr berühmten Stanford-Professor, James G. March, der das gut formuliert hat: Man muss exploration – also neue Sachen machen – und exploitation – Sachen schneller, leichter, billiger machen – in der Balance halten. Eine Firma, die Innovativ sein will, muss genau diese beiden Aspekte balancieren können. Deshalb ist der Antriebsmotor der Innovation immer die Neugier und idealerweise die kindliche Neugier.
Wenn du die Möglichkeit hättest, das nächste große Cover einer weltweit aufgelegten Zeitschrift zu entwerfen, was würdest du drauf machen?
Ich würde es komplett schwarz oder weiß machen. Maximal mit einem großen Fragezeichen oder einem großen „+“ drauf. Weil wir wollen ja die Neugier wecken, diese kindliche Neugier, die wir oft durch das Schulsystem verlieren. Ich würde die Leute gerne zum Nachdenken bringen, deshalb ein einfaches Design – denn je banaler das ist, desto mehr regt es die Menschen auf. Ein bisschen provozieren, um das Nachdenkende, Erforschende, Neugierige zu inspirieren.
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