Rocketeer Festival
Das Allgäu auf der digitalen Überholspur
Inspiration für das eigene Vorankommen. Von anderen Start-ups und Unternehmen lernen. Auch das ist ein wichtiger Teil des Rocketeer Festivals, der Konferenz für digitale Innovationen und Zukunftstrends in Augsburg. So konnten sich die Teilnehmenden nicht nur auf der Main Stage von Speakern wie Jochen Schweizer oder Tijen Onaran inspirieren lassen, sondern vor allem auch Abseits der großen Bühne Ideen aufschnappen. So etwa auf der Idea Storm. Der Talk „Digitale Transformation im Allgäu“ etwa startete mit der Frage: Kann ein Podcast als Basis für ein Netzwerk dienen? Im Allgäu sieht es so aus, als hätte Albert Heim, Leiter Digitale Transformation der Hochland Deutschland GmbH, zusammen mit dem Team von Allgäu Digital dieses Kunststück geschafft.
„Ich kam über Umwege aus Hamburg zurück ins Allgäu und das Netzwerk, um sich über Digitalwissen auszutauschen, hat einfach gefehlt“, erzählt Heim auf der Idea Storm. „Als ich dann auf Allgäu Digital gestoßen bin, kam uns gemeinsam die Idee für den Allgäu Digital Podcast. Eine neutrale Plattform, die es ermöglicht, voneinander zu lernen und miteinander die Digitale Transformation nach vorne zu bringen. Denn ich bin überzeugt: Nur im Netzwerk können wir Dinge nach vorne bringen.“
Und genau das scheint auch zu funktionieren, wie Carlos Carranza, CIO & CMO bei der PFEIFER GROUP bestätigt: „Durch den Podcast habe ich viel von unseren Nachbarn gelernt, etwa Rapunzel oder Multivac. Es ist beruhigend, dass wir alle vor ähnlichen Problemen stehen. Und vor allem ist spannend, wie andere mittelständische Unternehmen diese Probleme gelöst haben.“
Allgäu-Digital-Leiterin Antonia Widmer, die Dritte im Talkrunden-Bunde unter der Moderation von Uli Hagemeier, Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung, betont: „Die Unternehmen im Allgäu haben erkannt, dass sie junge Menschen nur für sich begeistern können, wenn sie auf Digitalisierung setzen. Unsere Idee war, einen CDO-Circle ins Leben zu rufen und gleichzeitig haben wir eine Employer-Branding-Plattform geschaffen.“
Ein weiteres wichtiges Ziel von Antonia Widmer ist etwa, dass „alt und jung“ voneinander lernen. Auch Carranza fordert: „Start-ups und Unternehmen müssen zueinander finden und voneinander lernen, was den anderen bewegt.“ Vor allem wünscht sich Widmer, dass etablierte Unternehmen sich ein bisschen vom Start-up-Spirit inspirieren lassen. „Einfach mal machen“, sei die Devise.
Außerdem wünscht sich die Allgäu-Digital-Chefin, das Ende des „Kirchturmdenkens“ und will Unternehmen zum Blick über die das eigene Firmengelände und das Allgäu hinaus ermuntern. Dafür konzipiert sie mit Ihrem Team unterschiedliche Veranstaltungsformate. Eine Gefahr – aber das gilt wohl für alle Regionen – sieht die Start-up-Expertin außerdem im „Lokalpatriotismus“. „Es hilft uns nichts, wenn wir uns immer gegenseitig auf die Schulter klopfen und betonen, wie gut wir das gemacht haben.“ Wichtig seien Perspektiven von außen, die neue Ideen ins Allgäu bringen. Auch den Blick über die Grenzen dürfe man nicht scheuen. Deswegen beobachtet sie mit ihrem Team auch genau, was außerhalb Bayerns und jenseits der Landesgrenzen, z.B. in Österreich oder den Niederlanden aktuell in der Start-up-Szene los ist.
Wie digital ist das Allgäu?
„Doch wie digital ist das Allgäu denn heute schon?“, wollte Moderator Hagemeier wissen und brachte die berühmte Skala von 1 bis 10 ins Spiel. „Wir haben Hidden Champions genauso wie Hidden Digitalisierer. Wir sind selbst manchmal überrascht, was in den Unternehmen bereits stattfindet“, betonte Widmer und Carranza ergänzt: „Der Digitalisierungsgrad im Allgäu ist sicherlich sehr unterschiedlich. Von 0 bis 12 ist auf einer Skala von 1 bis 10 alles drin. Wichtig ist, dass wir darüber reden, so voneinander lernen und uns so gegenseitig inspirieren“, betont der Digitalisierungschef von PFEIFER. Und um zu rechtfertigen, warum das Allgäu vermeintlich als weniger digital wahrgenommen wird, als es eigentlich ist, betont er: „Auch in Sachen Digitalisierung läuft es im Allgäu typisch mittelständisch: Wir schaffen lieber, und reden nicht so viel darüber.“ Aber sicherlich müsse sich das ändern.
Immer wieder gibt es auch Diskussionen, ob denn das Allgäu für Fachkräfte attraktiv genug sei. Für Heim sind es vor allem die gute Umgebung, die gesunden Unternehmen und die netten Leute, welche die Region zu etwas Besonderem machen. Carranza ergänzt: „Unsere Mitarbeitenden stammen zu einem Großteil aus der Region. Und das muss weder Vor- noch Nachteil sein. Wichtig ist, dass man aus den Fachkräften, die man hat, das Beste rausholt. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie machen wir aus ,guten‘ ,großartige‘ Mitarbeitende?“ Denn es ginge nicht nur um die regionale Verbundenheit. „Es tut jedem Mitarbeitenden gut, wenn er auch mal etwas anderes von der Welt gesehen hat als „nur“ das Unternehmen, in der er oder sie gelernt hat.“ Widmer lobte die kurzen Wege im Allgäu als großen Vorteil – vor allem für junge Unternehmen: „Wenn ich für eines der zwölf Start-ups, die wir aktuell bei Allgäu Digital betreuen, ein strategisches Investment, ein Testing oder andere Unterstützung brauche, dann weiß ich genau, wen ich ansprechen muss.“
Heim von Hochland nutzte die Gelegenheit, um gleich noch mit weiteren Vorurteilen aufzuräumen: „Es gibt weder die jungen Digitalisierten noch die alten Digitalisierungsverweigerer. Und noch weniger gibt es den studierten Tech-Nerd und den Arbeiter, der kein Interesse an neuen Medien hat. Es ist wie bei allem im Leben: Die einen haben Lust, sich zu verändern und die anderen eben nicht. Das hat nichts mit dem Alter oder der Bildungsgrad zu tun.“
Doch eine geringe Veränderungsbereitschaft sei grundsätzlich eine Gefahr– gerade hinsichtlich Digitalisierung. „Es hilft nichts mehr, mit dem gesunden Essen anzufangen, wenn man schon krank ist“, formuliert er als Vergleich. Und: „Wir dürfen nicht immer nur die Dinge umsetzen, die bewiesenermaßen funktionieren. Lasst uns doch auch mal an unsere Hypothesen glauben und den unbekannten Weg gehen“, fordert er abschließend.