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Cumpanum

Der Start-up Bäcker

Der Start-up Bäcker André Heuck bei der Arbeit
Bäckermeister André Heuck bei der Arbeit
André Heuck hat mit seiner Bäckerei Cumpanum eine echte Rocketeer-Story hingelegt – und das als vermeintlich „einfacher“ Handwerker. Oder vielleicht genau deswegen? Einblicke in die Backstube eines Verfechters seiner Zunft.

Routiniert schwingt Bäckermeister André Heuck den rohen Teig zu einer kunstvollen Breze. So, wie er da in seiner Backstube in Bobingen steht, könnte man meinen, dieser Mann macht nichts anderes: Das frühe Aufstehen gewohnt, verrichtet er sein Tagwerk, bringt Backwaren an den Mann und die Frau und geht dann abends zufrieden ins Bett. Aber Start-up Bäcker André Heuck backt nicht nur wortwörtlich seine eigenen Brötchen: Denn dem sympathischen Wahl-Bobinger geht es um mehr als ums bloße Herstellen von Lebensmitteln. Er ist ein Verfechter seines Handwerks, mag es natürlich und gesund. Er kämpft gegen (künstliche) Zusätze in unserem täglichen Brot. Vor allem aber will er eines: Gutes tun.

Der Vater backt in der DDR

Die Leidenschaft für das Backen bekam André Heuck quasi in die Wiege gelegt: Schon sein Vater verdiente seine Brötchen im Bäckerhandwerk – allerdings unter ganz anderen Bedingungen als André heute. Denn sein Vater führte eine Backstube in der ehemaligen DDR. Er erinnert sich an eine Geschichte, die er immer wieder erzählt: Als seine Kunden zur Weihnachtszeit wie üblich den beliebten Christstollen wollten, waren Citronat und Orangeat Mangelware. Also musste Heuck Senior tricksen: Es wurden grüne Tomaten kandiert, zerstückelt und in den Stollen verbacken. Und das war der Moment, der den Kragen des fleißigen Bäckermeisters zum Platzen brachte: Die Parteioberen genossen die feinsten Leckereien, während er die Weihnachtsfreude aus irgendwelchen Resten zusammenbacken musste. Da fasste Heuck Senior einen Plan: Er musste weg aus der DDR, „rüber“ zu seinem Bruder in den Westen.

Inspirierende Wanderjahre

Dort eröffnete er wieder eine eigene Bäckerei, in der André dann auch das Familienhandwerk erlernte. Doch in Deutschland hinter dem Ofen zu stehen, war dem Bäckerssohn zu langweilig und er heuerte weltweit in großen Hotels an. Er begann als Patissier, dann machte er sich als „Chief Baker“ einen Namen. Seine modernen Wanderjahre führten ihn zu Stationen wie Kos, Miami, Zypern, Fuerteventura und Macao. Während dieser Zeit sammelte Heuck Inspirationen für sein Handwerk und sein Leben.

Pech im Spiel – Glück für’s Handwerk

Doch fast hätte er Brot und Brezen den Rücken gekehrt: Nur dem „Pech im Spiel“ ist es zu verdanken, dass André heute Bäcker und nicht professioneller Pokerspieler ist. „Ich hatte gehofft, mein Hobby zum Beruf machen zu können, und hab mich zwei Wochen lang in Las Vegas als professioneller Pokerspieler versucht“, erinnert sich André. Und auch, wenn er zumindest die Flüge bezahlen konnte – für mehr hat es dann doch nicht gereicht. Und so kam es, dass er – aus Liebe zu seiner Frau – nach seiner kleinen Reise um die Welt in Augsburg bei einem Biobäcker anheuerte.

Der Businessplan macht den Anfang

Schnell merkte er aber: Ich muss mein eigenes Ding machen. So, wie ich es mir vorstelle. „Ich wollte eine eigene Bäckerei aufmachen, in der es nur Brot gibt.“ Und bald stellte er fest: Als Existenzgründer sieht man sich einigen Herausforderungen gegenüber – sinnvollen und weniger sinnvollen. „Sinnvoll war sicherlich, einen Businessplan zu erstellen“, resümiert André. „Sich Gedanken machen, wie man am Ende wirklich sein Geld verdienen will und mit wie vielen Mitarbeitern man das erreichen kann.“ Der Businessplan hat die Bank überzeugt, die Immobiliensuche gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Statt einem Laden in einer Großstadt fand der Bäckermeister ein Geschäft in Bobingen.

Seinen Traum, „nur Brot zu backen“, hat André dann erstmal begraben. „Ohne Kuchen und Brezen brauchst du in einer Kleinstadt als Bäcker nicht aufmachen“, weiß er. Nur zwei Dinge wollte er nicht verwerfen: 100 Prozent Bio und das Handwerk sichtbar machen.

Die Nische schlägt die Konkurrenz

Während er seinen ersten Laden aufbaute, wurde er nicht nur einmal entsetzt gefragt: „Was? Du machst noch eine Bäckerei in Bobingen auf?“ Den potenziellen Kunden schien der Markt bereits übersättigt. „Das hat mich etwas nervös gemacht“, gibt André zu. Doch der Bäcker hat sich seine Nische gesucht – und ist in dieser groß geworden: Biobackwaren, die direkt vor Ort handwerklich hergestellt werden. Obwohl es schon rund zehn Bäckereien in Bobingen gab, wurde das Cumpanum bei der Eröffnung überrannt. 16 Stunden stand er anfangs in der Backstube. Und trotzdem verging kein Tag, an dem seine Regale nicht schon vor Ladenschluss leergefegt waren.

„Nicht wir sind teuer, die Frage ist, wer musste leiden, wenn andere so billig sind?“

Der Qualitätsunterschied macht sich natürlich auch im Preis bemerkbar. Während es die gemeine Augsburger Breze anderswo für gerade mal 70 Cent gibt, zahlen die Menschen auch 1,10 Euro für die entsprechende Qualität. Und obwohl der Laib Brot für 5 Euro über die Theke geht, ist sein Laden immer gut besucht. „Nicht wir sind teuer, die Frage ist, wer musste leiden, wenn andere so billig sind?“

Denn er möchte Handwerk mit echten Bäckern erhalten – andere setzen auf vollautomatische Produktion. Er verwendet nur natürliche Zutaten – keine technischen Enzyme, die er als allergieauslösend einschätzt. Kein industriell produziertes Getreide, kein Backmittel, keine Ascorbinsäure, kein L-Cystein, kein Diace­thyl­weinsäureesther, und was man sonst noch alles ins Brot mischen kann.

„Wir können den Kunden keinen Vorwurf machen, dass sie es nicht wissen – aber wir müssen ihnen helfen zu verstehen, dass hinter einer Cumpanum Semmel hochwertige Rohstoffe und viele kleine Arbeitsschritte stecken.“ Würde man die Klima- und Umweltschäden, die industriell gefertigte Backwaren verursachen, einpreisen, dann wären diese Produkte wahrscheinlich deutlich teurer als Bio-Backwaren, sagt André.

Zukunftsfähiges Handwerk muss Bio sein

Doch auch, wenn Brot und Semmeln 100 Prozent bio sind –

André geht es um etwas anderes: Es geht darum, das Handwerk nach vorne zu stellen. „Andersherum gedacht: Wer echtes Handwerk zukunftsfähig ausüben will, muss bio sein. Anders geht es nicht“, betont der Bäckermeister. Selbstverständlich ist für André auch, dass am Ende des Tages kein Brot weggeworfen wird. „Bei uns kann es daher schon mal passieren, dass um 17 Uhr eben nicht mehr alle Sorten erhältlich sind. Wenn weg, dann weg“, erklärt André. Auch wenn das vielleicht beim ein oder anderen Kunden eine Enttäuschung hervorruft, ist das in seinen Augen immer noch besser, als hinter der Backstube um 20 Uhr containerweise Backwaren wegzuwerfen, die dann in die Biogasanlage wandern.

Wenn was übrigbleibt, bekommt das die Tafel. Auch beim Foodsharing macht André mit – in der Hoffnung, dass dieses Engagement nicht ausgenutzt wird, sondern dann wirklich Menschen von seinem Brot profitieren, die in finanziellen Schwierigkeiten sind.

Das Handwerk sichtbar machen

Das Handwerk sichtbar machen. Aufklären. Das ist eine der großen Aufgaben, die sich André selbst gegeben hat. „Die Konsumenten sind so sehr an ,genormte‘ Lebensmittel gewohnt, dass sie kein Verständnis haben, wenn eine Semmel mal etwas kleiner ausfällt oder das Brot mal nicht so aufgegangen ist, wie sie es gewohnt sind“, erzählt der Bäckermeister.

Deswegen hat er sich für offene Backstuben entschieden, wo jeder zuschauen kann, wie seine Waren entstehen. „Die Menschen sollen sehen, wie es gemacht wird. Sollen die Möglichkeit bekommen zu fragen, wenn sie etwas wissen möchten.“ Das, so ist André überzeugt, ist ein Weg, um den Menschen das echte Handwerk näherzubringen, denn damit wächst auch die Wertschätzung für das Imperfekte. „Die offene Backstube gibt den Kunden die Möglichkeit, die Energie zu spüren, die durch das Handwerk entsteht. Den Duft des Brotes einzuatmen. Die Menschen zu sehen, die das Brot herstellen. Das schafft mehr Verständnis als ein langer Vortrag zur Qualität des Handwerks.“

Expansionskurs wider Willen

Als André startete, wollte er vor allem eines: nie mehr als einen Laden aufmachen. „Ich kam von einer Großbäckerei mit vielen Mitarbeitern. Und ich sehnte mich nach weniger Stress.“ Doch auch das kam anders: Als sich nach etwa drei Monaten alles eingespielt und jeder im Team seinen Platz gefunden hatte, wurde ihm wieder eines: langweilig.

Auf der Suche nach der nächsten Herausforderung hörte er auf den Wunsch seiner Kunden, doch bitte einen Standort in Augsburg zu eröffnen. Deshalb folgte die zweite Backstube in der Augsburger Annastraße. Auch dort lief es wie geschnitten Brot. Den dritten Backstubenladen eröffnete André mit seinem Bruder Alexander in Schwabmünchen. Den Vierten in Gersthofen gefolgt von einem Verkaufsladen in der Augsburger Altstadt – der erste Laden ohne eigene Backstube, der von der Annastraße aus beliefert wird. Denn trotz des stetigen Wachstums sollte das handwerkliche Arbeiten vor Ort erhalten bleiben.

Und obwohl heute insgesamt 90 Mitarbeiter:innen beschäftigt sind, ist durch die vielen eigenständigen Backstuben die Idee des transparenten Handwerks erhalten geblieben. „Wir haben die Backstube nicht immer größer gemacht, sondern wir haben viele kleine Backstuben gebaut.“

Keine Angst vor schnellem Wachstum

Heute hat André zehn Standorte, bis Ende des nächsten Jahres will er 15 haben. Nachdem er Bayerisch-Schwaben erobert hat, ist jetzt Oberbayern dran: Erst München-Trudering, dann geht es als Nächstes an den Nockherberg. Angst, dass er sich mit dem schnellen Wachstum übernehmen könnte, hat André nicht. „Sollte was schiefgehen, muss ich mir halt was überlegen“, sagt er. Im Gegenteil: Er würde gerne noch schneller wachsen. Das Geld dafür hat er mittels Genussrechten bei seinen Kunden eingesammelt. 400.000 Euro sind so zusammengekommen. „Schließlich sind es auch die Kunden, die auf immer mehr Filialen drängen. Deswegen überlegte ich mir, sie auch am Risiko zu beteiligen – und natürlich am Gewinn, der dann in Backwaren ausgezahlt wird.“

„Jeder will studieren, nine to five arbeiten und ,vermeintlich‘ viel Geld verdienen.“

Doch um noch weiter zu wachsen, fehlt ihm neben geeigneten Locations vor allem eines: Mitarbeiter:innen. „Im Handwerk haben wir noch immer enorme Nachwuchsprobleme – jeder will studieren, nine to five arbeiten und ,vermeintlich‘ viel Geld verdienen.“ Allmählich drehe sich dieses Bild, beobachtet André. Aber eben nur langsam. Eine funktionierende Gesellschaft braucht das Handwerk. Denn Handwerker arbeiten lösungsorientiert, müssen vorausschauen und (technische) Zusammenhänge verstehen.

„Es ist ein Unding, dass im Deutschen Bundestag kein einziger Bäckermeister sitzt“, betont André. „Das führt dazu, dass sich Menschen im Bundestag und in Verwaltungsorganen über das Handwerk stellen und entscheiden, wie wir zu arbeiten haben. Menschen, die keine Ahnung von unserem Alltag haben, entscheiden, wie oft ich in meinem Kühlschrank die Temperatur messen muss. Das ist absurd. Als wären wir zu blöd, um zu merken, ob die Butter kalt genug ist, damit sie nicht verdirbt.“

Was er handwerklichen Start-ups raten würde? „Auf jeden Fall müssen sie sich auf einige Hürden einstellen“, weiß André aus eigener Erfahrung. Allein schon die ganzen Regularien, die zur Eröffnung einer Backstube eingehalten werden müssen, seien enorm. „Wichtig ist vor allem: ruhig und bescheiden bleiben – und als Fachmann das machen, worin man sich auskennt. Für Quereinsteiger wird es im Handwerk schwierig“, weiß André. Und er rät, das Thema Mitarbeiterführung nicht zu unterschätzen. Gutes Brot backen und ein Team formen sind zwei völlig unterschiedliche Aufgabenstellungen.

Start-up geht auch als Handwerker

Start-up muss nicht immer Hightech sein. Auch das Handwerk bietet tolle Gründungsoptionen – wenn man sich traut, etwas anders zu machen als die anderen. Dinge neu zu denken. Oder eben sich auf Altes zu besinnen und zu konzentrieren.

Besonders in Sachen Backwaren ist das der Trend: Neben Cumpanum hier im Süden erhielt im Segment der Bäckerei-Neugründungen das Berliner Start-up „Zeit für Brot“ von Björn Schwind mit Filialen in Berlin, Köln, Hamburg und Frankfurt vielfältige Beachtung. Mit einer klaren Ausrichtung auf Bio-Zutaten, offene Backstuben und dem Fokus auf Qualitätsproduktion gelang dem Start-up nach erfolgreichem Wachstum am Ende sogar der Exit an einen Investor aus dem Private-Equity-Segment. Auch wenn der Verkauf des Unternehmens bei den meisten Gründungen im Handwerk nicht im Fokus steht, zeigt der Fall die gestiegene Attraktivität und das Wachstumspotential von spannenden Unternehmensgründungen im Handwerk.

Das Ding mit den E-Nummern

Immer mehr Menschen leiden unter Lebensmittelunverträglichkeiten. Sie können kein Brot mehr essen oder keine Milchprodukte mehr verzehren. André sieht hier einen kausalen Zusammenhang mit dem Einsatz technischer Enzyme, die seit etwa 20 Jahren in der Lebensmittelproduktion verwendet werden. Denn seither explodieren auch die Zahlen der Unverträglichkeiten. „Das ist meiner Meinung nach kein Zufall“, sagt André. Man braucht nur kleine Mengen des Enzyms, da sich Enzyme selbst nicht verbrauchen, und schon wächst die Semmel oder das Brot wie von Zauberhand auf das dreifache Volumen an. „Das hat meiner Meinung nach mit Handwerk nichts zu tun“, betont André

Gegen Enzyme ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Getreide beispielsweise produziert während des Wachstums natürlicherweise endogene Enzyme, die beim Backprozess eine Rolle spielen. Technische exogene Enzyme hingegen werden mithilfe von Mikroorganismen in Fabriken hergestellt. Da gibt es beispielsweise Amylasen, die die Stärke des Mehls in Zucker umwandeln, der als Nahrung der Hefe dient und so das Brot lockerer macht. So kommen in das Brot mehr Amylasen, als von Natur aus drin wären. Mittlerweile lassen sich diese Enzyme auch dank der CRISPR CAS Methode designen, also eine noch effektivere Amylase, die es so in der Natur gar nicht gibt – und das superbillig.

Wenig Transparenz

Aktuell gibt es keine Regelung in den EU, welche die Zulassung dieser Enzyme regelt. Schon vor Jahren sollte es eine Positivliste geben, 300 Enzyme wurden zur Zulassung angemeldet – rund die Hälfte davon hergestellt mithilfe von Gentechnik. Die Forschung zur Unbedenklichkeit dieser Enzyme finanzieren die Enzymhersteller selbst. Weltweit gibt es nur eine Hand voll Firmen, die diese Enzyme herstellen können. André bemängelt „Der gesamte Prozess ist sehr intransparent“.

Dass Lebensmittelzusatzstoffe (E-Nummern) oft etwas Negatives sind, das haben die Konsumenten mittlerweile gelernt. Das „Tolle“ an den exogenen Enzymen allerdings ist, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sie beim Backen denaturieren. Dadurch müssen sie auf der Packung nicht deklariert werden. Dabei gibt es schon erste Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass ein Teil der Enzyme den Backprozess überlebt. Bis zu 200 weitere Mehlbehandlungsmittel dürfen in Backwaren verwendet werden, ohne dass der Kunde davon erfährt.

 

 

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