Interview
Gehen wir in Zukunft nur noch auf digitale Events?
Philipp Wenger gründete 2004 die Event- und Kommunikationsagentur GO-Event!. Seit März 2020 stehen bei Wenger und seinem Team digitale Veranstaltungen im Fokus, doch bereits davor beschäftigte sich die Agentur mit hybriden Events. Wir haben mit Phillip Wenger darüber gesprochen, was es braucht, wenn man digitale Veranstaltungen gut umsetzen möchte, was die Hürden sind und ob wir auch in zwei Jahren noch Online-Events besuchen.
First Things First: Wie kamt ihr zu eurer Expertise im Bereich digitale Events?
Philipp Wenger: Wir hatten auch vor Corona bereits Erfahrungen, nicht im rein digitalen, aber im hybriden Sektor. Wir haben Veranstaltungen, die live stattgefunden haben, digital verlängert. Es war nicht gänzlich neu für uns, wir hatten bereits Know-how und die Technologie. Mit Beginn der ersten Welle und den Schließungen haben wir alles auf Digital umgestellt.
Dazu hat uns auch ein ganz großer Kunde getrieben, den wir betreuen und für den wir zu diesem Zeitpunkt ein Event geplant hatten. Drei Wochen vor dem Event waren wir in Österreich, als plötzlich Einreisestopps verhängt wurden und klar war: Das mit der Veranstaltung wird so nicht funktionieren. Der Kunde forderte schließlich von uns, das Ganze in ein Online-Event umzuwandeln. Inklusive dem neuen Briefing: „Bitte macht ein digitales Event draus, das nur digital möglich ist.“
Diese Einstellung hat den Ansatz geprägt, mit dem wir an Online-Events heran gehen. Es geht nicht darum, den Ersatz für eine analoge Veranstaltung zu schaffen, sondern es ist vielmehr Zeit, die digital Möglichkeiten zu nutzen und Dinge zu machen, die ausschließlich digital möglich sind.
Zum Beispiel?
Wenger: Bei Speakern haben wir angefangen, anders zu denken. Beispielsweise: Wen würden wir für ein analoges Event nicht bekommen, weil er vielleicht reisezeittechnisch gar nicht zu uns kommen könnte, digital aber schon? So haben wir auch angefangen, globaler zu denken. Ein anderer Faktor war die Frage: Wie können wir Leute abholen, wie können wir sie in Situationen versetzen? Dafür haben wir begonnen, mit dem Green Screen zu arbeiten, um ein neuartiges Bühnenbild zu schaffen. Wir haben ein Portalsystem als Plattform für digitale Events entwickelt, das auch heute noch gute Dienste leistet und mittlerweile tausendfach erprobt ist. Damit wir ein Bühnen-feeling nach Hause bringen können.
Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein großes Thema. Jedes Unternehmen hat das auf seiner Agenda stehen und digitale Formate sind eine Möglichkeit, Nachhaltigkeit aktiv umzusetzen. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass wir Leute beteiligen können, die normalerweise eher zurückhaltend sind – wir schaffen digital ganz neue Möglichkeiten des Mitmachens. Ein weiterer Aspekt ist das globale Denken. Bei vielen Events gibt es ein Kostenlimit, wenn es um die Anreise von globalen Gästen geht. Durch digitale Möglichkeiten haben wir es geschafft, auch da neue Wege zu gehen. Die Kosten sind bei Digitalevents initial, es ist also möglich, auch Leute einzuladen, die man normalerweise nicht mitnehmen würde.
Das heißt es gibt auch durchaus positive Aspekte daran, dass ihr gezwungen wart, jetzt vermehrt auf digitale Events zu setzen?
Wenger: Definitiv. Viele Kunden kommen momentan mit dem Plan für eine Liveveranstaltung, die jetzt als Notlösung digital umgesetzt werden soll. Wenn man aber etwas als eine Notlösung sieht, dann wird es das auch. Eigentlich ist es viel spannender, sich jetzt die Chancen bewusst zu machen und seine Strategie zu überdenken. Vielen Kunden haben das so noch nie gemacht und digital immer nur als Ersatz gesehen.
Bei digitalen Konferenzen passiert es häufig, dass die Interaktion verloren geht und Teilnehmer:innen zu passiven Zuschauer:innen werden. Welche Konzepte gibt es, die dem Entgegenwirken?
Wenger: Wir müssen immer zwischen kleinen Events, bei denen eine Live-Interaktion möglich ist, und großen Veranstaltungen unterscheiden. Bei Ersterem ist der Fokus ganz klar auf die Moderationstechnik zu setzen. Wie interagiere ich sinnvoll mit meinen Teilnehmer:innen? Das funktioniert bis circa hundert Personen.
Alles darüber hinaus sind große Veranstaltungen, bei denen man auf eine gute Mischung achten muss. Hier arbeiten wir beispielsweise mit einem Tool für das Handy als zusätzliche Interaktionsmöglichkeit. Da können Brainstormings und Abstimmungen integriert werden und eventuell sogar den Veranstaltungsinhalt aufgrund dieser Votes optimieren. An solchen Interaktionen beteiligen sich unserer Erfahrung nach etwa sechzig Prozent der Teilnehmer:innen. Das ist sogar weitaus mehr, als bei einem analogen Event an Beteiligung stattfinden würde. Die Herangehensweise ist aber im Digitalen eine gänzlich andere als bei einem Live-Event und es ist sehr wichtig, dass man die Interaktionselemente gut in den Veranstaltungsablauf integriert.
Bei einem klassischen Event steht das Event an sich im Mittelpunkt und ist der Fokus. Bei einem Online-Event bauen wir das in vier Phasen auf: In der ersten Phase erzielen wir Neugierde, in der zweiten Phase werden die Leute aktiviert und angesprochen, dann passiert das Event und die vierte Phase ist die Nachbereitung. Wir arbeiten bei digitalen Events schon viel im Vorfeld, um die Teilnehmer:innen richtig auf das Event vorzubereiten und emotional einzustimmen. Dass diese Vorbereitung einen essentiellen Einfluss auf die Interaktion und das Gesamterlebnis hat, war eine der wichtigsten Erkenntnisse für uns.
Gibt es konkrete Bausteine bei digitalen Events, die immer gut ankommen?
Wenger: Nein, das hängt immer vom Thema ab. Online-Teambuildings beispielsweise funktionieren einmal ganz gut, wenn die Teilnehmer:innen das Format noch nicht kennen und man ein gemeinsames Online-Erlebnis gestaltet. Dann war’s das aber auch. Was Live mehrfach erlebbar ist und gut funktioniert, klappt online einmal, vielleicht zweimal.
Also gibt es Events, die auch langfristig nicht digital machbar sind?
Wenger: Wenn man perspektivisch in die Zukunft blickt dann gibt es Themen, die sich digital durchsetzen werden – gerade internationale Kongresse, weltweite Kick-Offs, lokale Wissensvermittlung. Es gibt aber auch Bereiche, wie Online Teambuildings, die gerade maximal die Lösung für ein aktuelles Problem sind.
Wird es also Instanzen in der Zukunft geben in denen ihr – auch wenn alles wieder analog möglich wäre – euren Kund:innen zu digitalen Events raten werdet?
Wenger: Absolut. Es wird sich zukünftig in drei Bereiche clustern: Einmal ist das das Thema „klassische Events“, die werden ihre Daseinsberechtigung nicht verlieren, denn live ist in vielen Aspekten unersetzbar. Die Leute wollen raus, sie wollen sich treffen. Der zweite Case ist hybrid. Es gibt also eine Live-Veranstaltung, die digital verlängert wird und sowohl analog, als auch digital zugänglich ist. Das ist ein absolutes Zukunftsformat, vor allem für die Bereiche Messen und Kongresse. Und auch im rein digitalen Bereich wird es Formate geben, die auch weiterhin umgesetzt werden.
Hybride Events haben in deinen Augen also Zukunft?
Wenger: Ja, definitiv.
Ist das ein Bedarf, der auch ohne Corona aufgekommen wäre?
Wenger: Nein. Natürlich stand die Digitalisierung bei allen auf der Agenda, aber Corona hat dafür gesorgt, dass es akut geworden ist. Die Priorität ist verschoben worden.
Ist das ein branchenweiter Umbruch, oder sind es nur ein paar spezialisierte Agenturen, die Events auch langfristig digital sehen?
Wenger: Schwer zu sagen. Wir sind mit GO-Event! jetzt gut auf Kurs, weil wir früh das nötige Know-How aufgebaut haben. Aber es ist schwierig einzuschätzen, wie es bei anderen Agenturen aussieht. Vor eineinhalb Jahren gab es die Anforderungen, die es jetzt gibt, noch nicht. Die Branche wird sich definitiv verändern, aber wie stark die Veränderung ausfällt, hängt stark davon ab, wie schnell der Übergang in die „Normalität“ passiert.
Welcher nächste Schritt ist jetzt für Unternehmen wichtig, die weiterhin Events anbieten möchten?
Wenger: Sie müssen sich professionalisieren. Man kann nicht mehr einfach eine Leinwand aufspannen, eine Kamera davor stellen und dann davon ausgehen, dass das schon so passt. Unternehmen müssen sich als nächsten Schritt um eine Qualitätsstufe verbessern. Das ist essentiell, damit digitale Formate weiterhin Akzeptanz finden. Nichts ist schlimmer, als bei einem Zoom-Meeting die ersten fünf Minuten mit Tonproblemen und „Test eins zwei“ zu beginnen.
Ein Online-Event muss genauso ernst genommen werden, wie eine Live-Veranstaltung. Ich stelle aber immer wieder fest, dass das noch nicht passiert. Das ist schade, weil es den Ruf von Online-Veranstaltungen verschlechtert obwohl ich glaube, dass diese auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung haben werden. Es darf nicht heißen: „Ach komm, machen wir ‚nur‘ ein Online-Event“. Nur, wenn man eine digitale Veranstaltung auch ernst nimmt, kann sie wirklich gut werden.
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