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Leadership

Gesundes Leadership als Erfolgsfaktor für Rocketeers

Der Venture-Capitalist, der das Schicksal vieler Start-ups verändert. Investor und Buchautor Carsten Maschmeyer weiß genau, wie nachhaltiger Erfolg gelingt. Sein imposanter Weg vom Finanzunternehmer zur Gründungskoryphäe ist geprägt von „gesundem Leadership“, großer Willenskraft und mentaler Stärke.

Es ist sicherlich eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Wirtschaft und des Fernsehens. Verheiratet, Vater von drei ­Kindern, stolzer ­Zweifach-Opa und prominenter Juror in der ­Gründershow „Die Höhle der ­Löwen“. Hinter ­seinen zahlreichen brillanten Geschäfts­ideen ­verbirgt sich knallharte Arbeit.

Rückschläge versteht Carsten Maschmeyer nicht als Sackgassen, sondern als Wendepunkte. Er transformiert negative Erfahrungen, um sein Leben grundlegend zu verändern. Ein Beispiel? Als Schüler meldete er sich freiwillig für einen unbeliebten 1000-Meter-Lauf an. Er wollte beweisen, dass er leistungsfähig ist. Er verschlief den Start, schleppte sich dem Rennen eher hinterher – und wurde Letzter. Doch die Erfahrung prägte ihn. Sein Hunger nach Erfolg war geweckt, seine „Leistungs­karriere“ begann. Durch hartes Training wurde er kurze Zeit später Bezirks­jugendmeister im Mittel- und Langstreckenlauf. Nun strebte er auch nach dem gesellschaftlichen Aufstieg.

Der 64-Jährige wuchs im sozial schwachen Umfeld auf, in einer umgebauten Kaserne mit der Mutter, ohne seinen leiblichen Vater zu kennen. Seinen ersten Job fand er in einem Supermarkt. Zudem klebte er Konzertplakate in seiner Heimatstadt Hildesheim auf. Nach dem Abitur begann er ein Medizinstudium in Hannover. Um es zu finanzieren, arbeitete er parallel in der Vermögensberatung. Die 1980er und 1990er Jahre markierten ­seinen steilen Aufstieg als ­Finanzunternehmer.

Heute ist Maschmeyer erfolgreicher Gründer, Keynote-Speaker und Bestsellerautor. Vor allem aber natürlich einer der wichtigsten deutschen Start-up-Investoren! Er liebt den persönlichen Austausch mit diesen innovativen Gründer:innen, denn sie sind für ihn wie ein Jungbrunnen.

Den tatkräftigen Unternehmer:innen möchte er aber ein wichtiges Kapitel seines Lebens nicht vorenthalten: eine Phase, geprägt von Arbeitssucht, Burnout, Schlaflosigkeit, Kontrollverlust und Tablettenabhängigkeit. Im Interview spricht Masch­meyer offen und authentisch über seine ­Erlebnisse. Denn diese Zeit ist lange her. Heute ist die mentale Gesundheit für ihn ein wahrer Treibstoff für seine Tätigkeiten …

Carsten, erstmal Glückwunsch zum zweiten Enkelkind! Du strahlst bis über beide Ohren …

CARSTEN MASCHMEYER: In der Tat bin ich frisch aus Kalifornien zurückgekehrt, um mein erstes leibliches Enkelkind ­kennenzulernen, und nun werden auch mein zweiter Sohn und seine Frau bald Eltern. Es ist eine ganz große Freude, die ­dritte Generation der Masch­meyer-Familie zu ­erleben. Das gibt mir Energie und Freude, um neue Projekte anzupacken.

Wie fühlt es sich an, von so vielen hungrigen Start-ups umgeben zu sein?

Für uns Investoren sind es goldene Jahrgänge. Bisher deuten die Besuche im Silicon Valley auf ein vielversprechendes Start-up-Jahr hin. Wie für viele Dinge im Leben aber kommt es auch hier auf eine gesunde Menge an. Einige Wochen lang sind der Terminstress oder die Zahl an Gesprächen höher, etwa kurz vor einem Produktlaunch. Aber grundsätzlich belebt mich diese Zusammenarbeit immer. Denn die junge Generation von Unternehmenden ist stets interessant, technikaffin, kommunikationsstark und umweltbewusst. Sie sind von der Empathie sehr weit. Es macht sehr viel Freude, diese vielen jungen Leute hautnah zu erleben.

Welche Seiten des Geschäfts nerven dich persönlich?

Ich mag es vor allem nicht, wenn Gründer:innen zu sehr mit Buzzwords um sich werfen, um Investoren zu ködern. Da falle ich nicht drauf rein. Genauso habe ich eher Schwierigkeiten mit Leuten, die nicht selbstreflektiert und beratungsresistent sind. Denn ich ­empfinde Kritik als eine wichtige Hilfestellung, um besser zu werden. Und wenn ­jemand sich nicht helfen lässt, ist das eigentlich ein Mangel und reduziert die Erfolgswahrscheinlichkeit ungemein.

Gesundes Leadership ist in deiner Business-Philosophie verankert. Was macht moderne Führung aus?

Ich glaube nicht an die eine One-Person-Show. Denn Teamwork makes the dream work! Moderne Führung bedeutet für mich flache Hierarchien und unbändiges Vertrauen ins Team, denn dieser Aspekt macht am Ende die gesunde Führung erst aus. Dabei bin ich von zweierlei Stilen überzeugt: Einerseits die „partizipative Führung“, also dass ich die Mitarbeitenden in Entscheidungen einbinde und sie an der Unternehmensausrichtung mitgestalten lasse. Gleichzeitig setze ich auf „transformationale Führung“, die sich darauf konzentriert, zu inspirieren, zu motivieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Bestes Beispiel hierfür: das zu oft gescholtene „Homeoffice“. Ich bin der festen Ansicht: Wem du nicht zutraust, einige Tage im Homeoffice zu arbeiten, den hättest du gar nicht erst einstellen sollen! Letztlich geht es immer darum, was diese Person leistet und ob sie die Ziele des Unternehmens erreicht, übertrifft oder gar aufs nächste Level hebt.

Wonach streben Jungunter­nehmer:innen heute?

Die Gründer:innen möchten für einen Purpose ­arbeiten und scheren sich nicht, welche Klamotten sie dabei tragen oder zu welchen Zeitmodellen sie kreativ sind. Sie wollen Teil etwas Bewegendes sein: „To make a part of the world a better place.“ Wer heute als Unternehmer:in innovativ und nachhaltig erfolgreich sein will, sollte diese ­Bedürfnisse verstehen und ­respektieren lernen. Gleichzeitig muss die junge Generation etwas mehr Verständnis aufbringen, um der „älteren“ Führungsgarde zu helfen, ihre Arbeitsweise zu ­akzeptieren.

Welche Leitplanken gibst du aufstrebenden Unternehmen mit?

Die meisten Firmen besitzen von Grund auf eine eigene Kultur und Philosophie, diese ist meist durch die Gründer:innen verankert und möchte ich nicht verändern. Sie haben eine Vision und verfolgen eine Mission. Doch erst die völlige Transparenz des Businessplans und des Geschäftsvorgehens schafft eine nachhaltige ­Ergebnissteuerung. Die Leute wollen wissen: „Was wollen wir erreichen? Was muss ich dafür tun?“ Die klare und ehrliche Vorgabe von Ergebnissen und Zielsetzungen ist eine essenzielle Leitplanke. Genauso empfinde ich das Thema „Fortbildung“ als wichtigen Baustein. Das ist eine Schwachstelle bei vielen Start-ups, merke ich. Weiterbildung ­betrifft übrigens auch Führungskräfte: Sie müssen nämlich lernen, mehr remote und moderner zu führen. Ein wesentlicher Aspekt in einer sich ­ständig evolvierenden Gesellschaft.

Mentale Gesundheit liegt dir am Herzen. Triffst du heute auf Unternehmende, die „überarbeitet“ sind, wie schätzt du das fürs Geschäft oder Produkt ein?

Sowohl als Privatperson als auch als Langfrist-­Investor nehme ich auftretende Signale sofort wahr. Letztlich kann man die Uhr danach stellen, dass das negativ endet. Wer ständig überdreht ist und die Überlastung zum Dauerzustand werden lässt, gefährdet sich selbst, das Team und das ­Produkt. Häufig erkenne ich mangelnden Mut zur Delegation oder fehlendes Vertrauen in sein ­Umfeld. Manche trauen sich eine „Zwangspause“ nicht zu, aus Angst, die Firma oder der Prozess könne nicht vorangebracht werden. Viele versuchen die Probleme und Stressursachen dann mit Medikamenten oder Schlafhilfen zu lösen, doch das ist keinesfalls der Weg hinaus. Im Gegenteil: Medikamente killen die Kreativität, die Sozialkompetenz lässt nach. Man ist oft noch gereizter, ­weniger tolerant und der permanente Ausnahmezustand im Gehirn führt meist zu einem angekündigten Desaster.

2010 führte dich ähnlicher Erfolgsdruck in eine Depressionserkrankung und die Abhängigkeit von Schlaftabletten. Welche Auswirkungen hatte diese Erfahrung auf deine Geschäftsweise heute?

Meine Therapie und Genesung erfolgten im ­Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und zwangen mich zu einer kompletten Auszeit. Ich war gefangen und wie gelähmt in einer schwierigen Phase. Ich hatte das große Glück, von Professor Florian Holsboer ­betreut zu werden und meine Frau an meiner Seite zu haben. Heute rate ich jeder:m Geschäftspartner:in: Wenn du merkst, dass du erste Symptome von Burnout aufweist, dann reite den Tiger nicht zu Ende, bis du Schaden nimmst.

Auch, wenn es sich um die größte Chance des ­Geschäftslebens handelt?

Die Lösung findet sich aber nicht, indem Gründer:innen sich mental ausrotten! Vielmehr ist der Ausweg wie so oft im Team zu finden: Kann ich mich mit den Investoren zusammensetzen? Ist das Team die bessere Stütze? Man ist definitiv nie ­allein! Gerade in der Start-up-Landschaft merke ich immer wieder, dass die CEO alles allein lösen wollen. Mit dieser Isolation und der ganzen Last auf den Schultern kommt man aber nicht weit. Man ist in solchen Augenblicken nicht so allein, wie man meint. Erkennt man das, beweist man mentale Stärke.

Ist innovatives Unternehmertum erlernbar oder muss es „im Blut liegen“?

Eine Mischung von Faktoren ist hier entscheidend: Basis ist die Leidenschaft für das Produkt. Wer für seine Idee nicht brennt, kann weder Kund:innen noch Investor:innen wirklich anzünden. Zudem muss die Innovation selbst die bisherige Lösung einfacher, gesünder, nachhaltiger oder effizienter ­machen und das Produkt muss international ­skalierbar sein. Ist beides nicht der Fall, gibt es von Anfang an einen DNA-Fehler in der Gründungsidee. Bei der Zusammensetzung des Teams sollten die Qualitäten der Geschäftspartner:innen komplementär sein, nur so können die vielen Kompetenzen und Expertisen wirklich Synergien erzeugen. Und letztlich benötigt man eine hohe ­mentale Stärke für den Geschäftserfolg: Ist der revolutionäre Mut da? Ist das Unternehmen hungrig ­genug, um eine „Killercompany“ auf dem Markt zu werden? Bringe ich das Durchhaltevermögen auf, um Optimierungsprozesse stetig, flexibel und zielstrebig anzupacken? Das alles macht innovatives und erfolgreiches Unternehmertum aus.

Auf welches Start-up oder welche Projektidee bist du am meisten stolz?

Die Gründung und Entwicklung des Biotechnologieunternehmens „HMNC Brain Health“ ist ohne Frage mein größter persönlicher Erfolg. Zu sehen, dass wir heute durch Gentests in der Lage sind, eine fundierte Depressionsdiagnostik und daraus resultierende Therapiemethoden anzubieten, ­erfüllt mich mit purem Stolz. Es ist mein Herzens­projekt, weil ich mir selber natürlich gewünscht hätte, dass es damals diese Behandlungsmöglichkeiten schon gegeben hätte. Die Investition hat mich viel Mut und Ausdauer gekostet, aber es war jede ­Sekunde der Anstrengungen wert.

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