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Gemeinwohlökonomie

Klingt Radikal: Gemeinwohlökonomie

Ein Wirtschaftssystem, das nicht der Kapitalvermehrung, sondern primär Mensch und Umwelt dient – das ist die Idee der Gemeinwohlökonomie, der sich in Bayerisch-Schwaben zunehmend Unternehmen und Organisationen anschließen.

Nicht zuletzt der Klimawandel macht es deutlich: Unser Wirtschaftssystem steht am Scheideweg. Die Natur ächzt schwer, ­genauso tun es Gesellschaften: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung besitzen 85 Prozent des Weltvermögens, die ärmeren 50 Prozent nur ein Prozent. Weil immer noch wirtschaftliches Handeln, das keine echte Berücksichtigung ethischer, sozialer und ökologischer Kriterien kennt, satte Gewinne beschert.

Die Gemeinwohlbilanz

Grund genug für Christian Felber, den ­österreichischen Autor und Wirtschafts­theoretiker, im Jahr 2010 die ­sogenannte Gemeinwohlökonomie (GWÖ) ins Leben zu rufen. Seine Überzeugung: Die drängenden sozialen und ­ökologischen Herausforderungen ­unserer Zeit sind Folgen des Kapitalismus. Nötig ist ein alternatives Wirtschaftsmodell, in dem Unternehmen ihre Gewinne nicht auf Kosten, ­sondern im Sinne des Gemeinwohls erzielen. Heißt zu fragen, wie es in Betrieb, Lieferkette und ­gesellschaftlicher Einbettung um Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und ­Teilhabe bestellt ist. Wer teilnimmt, unterzieht sich der so genannten Gemeinwohlbilanz, erstellt auf Basis der Gemeinwohlmatrix: 20 Themen, um den eigenen Beitrag zum Wohl des Menschen und des Planeten zu ­bewerten. Die Skala reicht von -1000 bis +1000 Punkten. Ziel ist nicht die Höchstpunktzahl, ­sondern Ziel ist, den Status quo des ­eigenen ­Unternehmens festzustellen und darauf aufbauend Veränderungen einzuleiten und voranzutreiben, um sich Schritt für Schritt zu verbessern.

Investition statt Gehaltsspreizung

Und das tun in Bayerisch-Schwaben nicht wenige GWÖ-zertifizierte Unternehmen: Beispiele sind das Ostallgäuer Holzbauunternehmen SÄBU, das etwa sein Produktportfolio unter Nachhaltigkeitskriterien unter die Lupe genommen hat, oder die Internationale Schule Augsburg, die den Unterricht um das Thema GWÖ ergänzt. Die IT-Agentur elfgenpick hat Vertrauensarbeitszeit zur Regel gemacht, während die Bio- und Vollwertbäckerei Schubert die Mitarbeiterbeteiligung über ihre Filialen hinweg noch weiter ausbaut. Selbstverständlich sind in den genannten Unternehmen regenerative Energien, eine wertschätzende Unternehmenskultur, Handelsbeziehungen mit ebenfalls nachhaltig denkenden Partnern und nicht zuletzt: keine Profitmaximierung. Verdientes Geld bleibt im Unternehmen, um investiert zu werden. Eine überzogene Gehaltsspreizung kommt nicht vor, GWÖ-Ziel ist ein maximaler Faktor von 1:5.

Wirklich Wachstumshemmer?

Die GWÖ ist nicht frei von Kritik. Etwa, dass sie Wachstum verhindere. Was keines der genannten Unternehmen so unterschreiben will. Sie seien und blieben dennoch marktwirtschaftlich geprägt, arbeiteten natürlich erfolgsorientiert. Lediglich der Anspruch eines maximal möglichen Wachstums falle weg. Einzig: Es ist (noch) nicht selbstverständlich, dass die Zusatzinvestition in GWÖ-Maßnahmen vom Markt automatisch honoriert wird. Doch warum könnte es stattdessen nicht steuer- oder vergaberechtliche Vorteile geben? Eine Überlegung, die die GWÖ bereits an den Staat herangetragen hat. Andererseits bleibe das Engagement beileibe nicht unbemerkt, so die GWÖ-Unternehmer:innen. Vielmehr werde es zunehmend positiv wahrgenommen und wirke sich renomeefördernd aus. Was sich etwa bei elfgenpick darin ausdrückt, dass immer wieder Hochschulstudierende oder gar die ein oder andere Fachkraft eigeninitiativ vorstellig werden.

Ein Konzept für Gründer:innen

Die GWÖ war zuerst eine Sache wertegeprägter und persönlich überzeugter Menschen, wie die Geschäftsführer:innen der erwähnten Unternehmen es alle sind. Doch für die Zukunft sind sie sich einig: An einem nachhaltigen, werteorientierten Wirtschaftssystem, wie auch immer geartet, wird kein Weg vorbeiführen – und warum nicht jetzt in Form der Gemeinwohlökonomie? Zumal diese sich auf einem guten Weg befindet und der Gedanke in inzwischen 35 Ländern weltweit Fuß gefasst hat. Übrigens: Für Gründer:innen oder Start-ups ist das Konzept von Beginn an wesentlich leichter ­einzuplanen, als es für etablierte Unternehmen ist, umzusteigen.

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