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Thinktank

Lena, wie geht eigentlich Agilität?

Lena Wittneben, Systemische Coach und Prozessbegleiter
Gastautorin Lena Wittneben teilt ihre Top fünf Punkte, für mehr Agilität im (Arbeits)Alltag.

Dank eines Lokschadens bin ich nach achtstündiger Zugfahrt im Mai beim Rocketeer Festival angekommen. Doch die lange Fahrt hat sich mehr als gelohnt! Ich war das erste Mal (nicht nur in der wunderschönen schwäbischen Hauptstadt) beim Festival dabei, nachdem ich im September 2020 dem Rocketeer Magazin schon mal Frage und Antwort stehen durfte.

Ich liebe Aktiv-Vorträge und mein Publikum unmittelbar und interaktiv mit einzubinden. Meiner Meinung nach braucht niemand reine Frontalbeschallung, Folienschlachten oder Selbstbeweihräucherung mit Zeigefinger-Mentalität.

In meiner Personalunion als Rednerin (um mal das inflationäre „Speaker“ zu vermeiden) versuche ich Impulse für mehr Erfolg und Balance fernab von Selbstoptimierungswahn und „Tschakka“ Attitüde zu vermitteln. Die vermeintlich banalen Impulse beinhalten häufig das größte Potenzial für unser Wohlbefinden. Und gerade weil wir sie oftmals für banal halten nutzen wir sie nicht. Somit versuche ich unterhaltsam Hacks und Input zu vermitteln, „edutainment“ eben.

Und damit meine Vortrag Teilnehmer:innen sich meine Inhalte auch merken können – und nicht nur ich aktiv bin – vermittele ich diese immer anhand der ältesten Merkmethode der Welt. Kurzum: bestenfalls bleiben nicht nur meine Learnings im Hirn präsent, sondern es gibt auch noch eine „Merkmethode to go“ auf den Weg, die für eigene Vorträge, Einkaufszettel oder Argumente in wichtigen Gesprächen genutzt werden kann.

Agiles Arbeiten als Haltung begreifen

Beim Rocketeer Festival war ich mit meinem Aktiv-Vortrag „All you can agile?! Top 5 für mehr Agilität im (Arbeits)Alltag“ dabei.

Nach Authentizität kommt Agilität vermutlich in der Business Buzzword Liste gleich hintendran. Denn neben den üblichen Anforderungen an die Persönlichkeit von high performern gilt es heutzutage vor allem „agil“ zu sein.

Doch wie schaffen wir es in unserer sich stetig schneller drehenden VUCA-Welt flexibel, anpassungsfähig und gleichzeitig proaktiv und antizipativ zu handeln?

Das Konzept der Agilität ist keine Neuerscheinung der modernen Arbeitswelt, sondern bereits seit den 50er Jahren in der Systemtheorie von Organisationen existent.

Agile Softwareentwicklung zeichnet sich bspw. durch iteratives Vorgehen, hohe Selbstverwaltung und eindeutige Kundenzentrierung aus.

Im „agilen Manifest“ von 2001 wurden für das agile Arbeiten Leitsätze, Prinzipien und Werte agiler Teams formuliert.

Schauen wir dazu bei der agilen Entwicklungsmethode „Scrum“ genauer hin (Entwicklung wird in gleichmäßigen Iterationen, sogenannten „Sprints“ organisiert, die dem Team einen Rhythmus geben), so liegen auch diesem Vorgehen Werte wie Offenheit, Mut, Respekt, Fokus und Commitment zugrunde.

Begreifen wir agiles Arbeiten somit mehr als eine Haltung, denn als normenbasiertes Vorgehen, so können wir tagtäglich auch fernab von Softwareentwicklung, Office und Projektmanagement unseren Agilität Muskel mit nur 5 Werten trainieren.

Punkt 1: Mut

Wann hattet ihr euren letzten Mutanfall?

Frei nach der ehemaligen US-amerikanischen First Lady Eleanor Roosevelt: „Do one thing every day that scares you.”

Was könnte das bei Euch bedeuten? Es gibt hierbei nicht darum sich mit möglichst abstrusen „Prank Challenges“ zu beweisen. Holt einfach mal tief Luft, nehmt euch ein Herz und weitet Eure Komfortzone auf Loft-Größe aus.

Warum nicht endlich die sympathische Nachbarin zum Sushi Dinner einladen, bevor diese nach dem Lockdown Ende abends nicht mehr zuhause anzutreffen ist? Mehr als ein „nein“ können wir nicht bekommen – und wenn schon! Wann, wenn nicht jetzt?

Oder beweist Mut und nehmt euren Kollegen, der eure Ideen im Meeting gern als die eigenen geistigen Ergüsse verkauft, nach der Besprechung endlich mal freundlich zur Brust.

Springen wir häufig genug mutig ins kalte Wasser, genießen wir das wohlige und stolze Gefühl danach und die Überwindung schwindet mit jedem Sprung ein bisschen mehr!

Punkt 2: Offenheit

Begegnen wir unseren Mitmenschen mit offenen Gesten und Blicken, bekommen wir diese in der Mehrheit aller Fälle auch zurück.

Und Aufgeschlossenheit können wir unserem Gegenüber bei Dates oder Business Besprechungen zukommen lassen, indem wir kleine Einblicke in unser Leben und Persönlichkeit zulassen. Als Charsima Booster eignet sich hierbei weniger ein poserhafter battle im Stil von „mein Haus, Auto, Uhr und letzter großer Deal“, sondern was wir gerne tun, ob wir gerne kochen, welche Podcasts wir hören, wohin wir gerne verreisen oder was wir unbedingt noch erleben und lernen wollen.

Vor allem im Privaten wirken wir sympathischer, wenn wir uns nicht ständig als Zentrum der Weltgeschichte begreifen, uns weniger wichtiger nehmen und auch mal schmunzelnd von unseren größten „fails und fuck ups“ berichten.

Meistens ist dies auch eine willkommene Einladung, dass sich unser Gesprächspartner*in mehr öffnet. Und je offener wir sind und über unseren Tellerrand hinausschauen, desto mehr lernen und erfahren wir.

Punkt 3: Fokus

Euer Tag beginnt bereits morgens im digitalen Dauerrausch und mit einer ellenlange To Do Liste?

Startet Eure Tagesplanung schon am Vorabend und konzentriert Euch, was ihr am nächsten Tag erreichen wollen und was wirklich dringlich ist. Überfrachtet weder eure Gedanken mit „ich muss aber auch noch“, noch den Tag terminlich.

Verlieren wir uns nicht im Klein Klein und fokussieren uns auf unsere drei wichtigsten Aufgaben, die uns oder unsere Unternehmung wirklich voranbringen und die auf unsere wahren (Quartals- oder Halbjahres)Ziele einzahlen.

Setzen wir uns für jeden Tag eine feste Intention: Auf was will ich mich heute fokussieren? Das können ebenso private Bestreben sein, wie z.B. der Familie mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken oder den Fokus an pessimistischen Tagen auf Dankbarkeit auszurichten.

Reduktion auf das Wesentliche und Prioritäten zu setzten schenkt Klarheit, entlastet und hält uns wendig.

Punkt 4: Commitment

Erinnert ihr euch noch an den Spruch aus Kindertagen „versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen“? Als Kinder lernen wir, dass wir Versprechen und Zusagen halten, Geheimnisse bewahren und in Freundschaften Treue geloben – häufig noch in Winnetou Manier mit „Blutsbrüderschaft“.

Heute können wir unser Commitment leben, indem wir für unsere Freunde, Kund:innen, Kolleg:innen und Partner:innen beständig da sind – und nicht erst, wenn sie uns brauchen.

Warum dem top Lieferanten nicht eine ausführliche „5 Sterne“ Bewertung im Internet schreiben und in den höchsten Tönen loben oder den erlittenen shit storm des Kooperationspartner mit sachlichen Kommentaren abfedern?

Begleiten wir unseren Kumpel auch nach langer Funkstille mit Ehe-Eskapaden durch alle Täler und stärken ihm den Rücken in Trennungszeiten.

Ganz egal, ob wir uns Mitmenschen, Werten oder „Dingen“ verpflichten: Tragfähige und loyale Beziehungen bereichern unser Leben, schenken Sinn und geben auch uns Halt für herausfordernde Phasen.

Punkt 5: Respekt

Wen bewundert ihr fernab von Hollywood, Instagram, Gründer:innen Held:innen oder der (Fußball)Nationalmannschaft?

Achtung, Wertschätzung und Respekt beginnt im Kleinen in unserem unmittelbaren Umfeld.

Für mich beginnt Respekt damit, meinem Gegenüber aufrichtiges Interesse zu schenken. Zuzuhören, ohne mit einem Auge auf das Handy Display zu schielen und auch für vermeintlich selbstverständliche Dinge zu danken.

Wie sähen unsere Wohnungen und Häuser aus, wenn wir nicht die Müllabfuhr hätten? Warum bei der nächsten Begegnung beim Tonne leeren nicht ein „Danke“ ans „Guten Morgen“ hängen?

Den Supermarkt Kassiererinnen beim Einpacken einen „schönen Feierabend“ wünschen und auch sehr redseligen und mitteilungsbedürftigen älteren Sitznachbarn in Bus oder Bahn beim Smalltalk ein Ohr schenken. Eine Generation, die uns vieles erst ermöglicht hat und vielleicht zu Hause keinen Zuhörer (mehr) hat.

Die vermeintlich selbstverständlichen Worte „Bitte“, „Danke“, ausreden lassen ohne ein Satzende vom Gegenüber schon zum lauthalsen Gegenangriff zu nutzen und ein offener Blick in die Augen kann Wunder wirken.

Wem zollt ihr aus eurem persönlichen Umfeld Respekt?

Sprecht Eure Bewunderung und Anerkennung offen aus, in den seltensten Fällen brechen uns dabei Zacken aus den Kronen.

Einfach ausprobieren!

Viel Spaß und Freude mit eurem Agilität Training!

 

Über Lena:

Lena Wittneben ist systemische Coach, Gedächtnistrainerin, “Edutainerin”, Moderatorin, Autorin und Marketing Beraterin aus Hamburg. Ihr Credo: “Arbeitszeit ist Lebenszeit”.

Was sie auszeichnet sind viele Leidenschaften und ein allumfassendes „wozu“, denn ob als freie Autorin für z.B. capital.de, GQ Business oder Spiegel online oder Speaker, Moderatorin und Coach mit Vorträgen, Workshops und Events: Lena empfindet tiefen Sinn Menschen mit Humor und Freude zu stärken, zu begleiten und echte Begegnungen zu schaffen.

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