Projektmanagement
Mit OKR zur Unternehmensvision
Marco, zum Einstieg: Was macht Murakamy?
MARCO ALBERTI: Wir sind ein One-Trick-Pony: Wir können gar nicht so viel, aber das, was wir können, können wir gut. Wir entwickeln Visionen, die übersetzen wir in Strategien und aus diesen Strategien leiten wir wiederum die sinnvollsten nächsten Ziele für einen bestimmten Zeitraum ab. Unser Anspruch ist es grundsätzlich, aus unseren Handlungen schnell zu lernen und danach bessere Entscheidungen zu treffen.
Das schafft ihr mit dem OKR-Modell. Was hat es damit auf sich?
MARCO: Dazu muss man wissen: Das, was wir bei Murakamy unter OKR verstehen, ist möglicherweise genau das Gegenteil dessen, wie andere es interpretieren. OKR ist nicht gleich OKR, denn es gibt sehr unterschiedliche Strömungen. Und man muss erst einmal die für sich passende definieren. Zudem gab es, als wir begonnen haben, keine wirkliche grundsätzliche Definition davon. Wir haben also aus dem, was wir zu diesem Thema gefunden haben, in den letzten acht Jahren ein eigenes Framework gemacht.
Mit welchem Ergebnis?
MARCO: Wir verstehen OKR als einen holistischen, also ganzheitlichen Blick auf ein Unternehmen. Es dient als ein Gedankenmodell, das dabei unterstützt, zu den besten Entscheidungen zu kommen und seine Ressourcen sinnvoll einzuplanen. Und das mit einem überschaubaren Risiko, denn wir sprechen von Zeiträumen von drei Monaten. Danach wird entschieden: Macht es Sinn, in diese Richtung weiterzudenken, oder muss ich etwas ändern?
Wie sieht die Ausgangssituation aus?
MARCO: Zuerst einmal braucht das Unternehmen eine strahlkräftige Vision. Dafür reicht es nicht aus, einfach nur der größte Player am Markt sein zu wollen. Vielmehr sollte das Unternehmen mit seinem Produkt etwas verändern, etwas bewirken wollen. Es sollte also eine Vision haben, wenn man es so nennen möchte. Das kann nicht der Selbstzweck des Unternehmens sein, sondern vielmehr der Mehrwert für die Kund:innen – also eine Nutzenorientierung. Das ist als Ausgangssituation besonders wichtig. Dann überlegen wir uns gemeinsam eine Strategie, mit der wir dieses Ziel erreichen können. Und ein festes Team, das in die Umsetzung geht.
Was unterscheidet OKR von anderen Projektmanagementmethoden?
MARCO: Bei den verbreiteten Methoden möchte man ein fest definiertes Ziel zu einem fest definierten Zeitpunkt erreichen. Um das zu schaffen, muss man einfach alles tun, alles geben – und das führt unweigerlich zu Stress. Denn die Annahme, wann etwas tatsächlich fertig wird, stimmt so gut wie nie mit der Realität überein. Deshalb haben wir diesen Ansatz umgedreht: Statt eines starren inhaltlichen Ziels ist bei uns der Zeitrahmen festgelegt, nämlich drei Monate. Und nach Ablauf dieses Zeitraums schauen wir, was wir alles herausholen und erreichen konnten.
Warum genau drei Monate?
MARCO: Weil das ausreichend ist, um viel Planungshorizont zu schaffen. Man muss nicht jeden Tag krampfhaft nach einer Aufgabe suchen, denn drei Monate kann man so vorplanen, dass es genug zu tun gibt. Außerdem ist dieser Zeitrahmen recht überschaubar. Größen wie beispielsweise ein Jahr lassen sich schlecht einkalkulieren. Und zuletzt halten wir damit das Risiko möglichst gering: In drei Monaten lassen sich Ideen umsetzen, sodass man erkennen kann, ob sie vielversprechend sind. Gleichzeitig ist der Zeitraum aber so kurz, dass nicht viel verloren ist, falls man eine Idee doch einmal verwerfen muss. Diese Learning Loops sind es, die unser Konzept ausmachen.
Das bedeutet, für OKR braucht es eine Fehlerkultur?
MARCO: Auf jeden Fall! Wir sind der Meinung, die sollte jedes Unternehmen haben. Unser OKR-Ansatz besteht aus dem Prinzip von Trial and Error. Denn nur, wer etwas versucht und damit das Risiko eingeht, auch einmal zu scheitern, kann unserer Meinung nach wirklich etwas erreichen. Und was schadet es schon, wenn man einmal einen Fehler gemacht oder sich verkalkuliert hat? Dann beginnt ein neuer Drei-Monats-Abschnitt und man hat aus diesem Fehler gelernt – und ist somit um wertvolles Wissen reicher. Dafür braucht es aber natürlich eine gewisse Offenheit und Demut. Und die Bereitschaft, die Realität zu akzeptieren, wie sie ist. Denn die „neue“ Arbeitswelt ist komplexer als früher.
Wie begleitet ihr von Murakamy die Unternehmen?
MARCO: Wir setzen uns alle drei Monate in Workshops zusammen und besprechen den zurückliegenden und dann den nächsten Abschnitt. Aber auch dazwischen haben wir Touchpoints eingeführt. Denn der Zettel mit den Zielen, die man in drei Monaten erreichen möchte, wird nicht dadurch besser, dass er zwei Monate und drei Wochen in der Schublade liegt und nur am Ende herausgeholt wird. Deshalb besprechen wir regelmäßig die bisherigen Ergebnisse und die nächsten To-dos. Das hält das Engagement bei allen Beteiligten hoch.
Für welche Unternehmen bietet sich OKR an?
MARCO: Die Größe ist egal, ebenso wie die Branche. Was nicht egal ist, ist das Geschäftsmodell. OKR ist nichts für eine typische Agentur, die die Zeit von jemandem ein- und teurer weiterverkauft. Auf der Ebene eines Projektgeschäfts muss man umdenken, um damit weiterzukommen. OKR ist vielmehr ein Tool für das Produktgeschäft. Außerdem braucht es die Offenheit zu akzeptieren, dass die Welt komplexer wird und dass ich den genauen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht kenne. OKR kann dabei helfen, diese Komplexität besser zu verstehen, indem man Hypothesen aufstellt und sie im Anschluss überprüft.