Börse
Sorgen Neo-Broker für eine Demokratisierung der Börse?
Drei Klicks und schon ist man Aktien-Besitzer. Mit Neo-Brokern wie den deutschen Startups Trade Rebublic, Smartbroker, Gratisbroker oder JustTrade ist der Zugang zur Börse so einfach wie noch nie. Dazu kommt, dass die Gebühren pro Trade meistens sehr niedrig, wenn nicht sogar kostenlos sind. Und auch das Handeln in kleinem Umfang ist möglich. Das funktioniert, weil diese Neo-Broker im Gegensatz zu anderen Finanzdienstleistern ausschließlich auf den Wertpapierhandel spezialisiert sind und meistens auch nur online existieren. Das heißt, die Kosten für reale Niederlassungen werden eingespart und die Gebühren können niedrig bleiben. Mehr Menschen denn je haben so einfachen Zugang zum Aktienmarkt. Während Deutsche in dieser Hinsicht zwar noch zögerlich sind und 2020 lediglich 16 Prozent ihr Geld in Aktien investierten, steigt dieser Anteil vor allem in der jüngeren Bevölkerung. Doch auch wenn immer mehr Menschen die neuen Möglichkeiten nutzen: Die Machtverhältnisse bleiben unausgeglichen.
Ein gemeinschaftliches Auflehnen?
So war schnell von einer „Demokratisierung der Börse“ die Rede, als im Januar die Reddit-Community „WallstreetBets“ beschloss, gesammelt Gamestop-Aktien zu kaufen. Während etablierte Großinvestoren auf einen fallenden Kurs setzten, trieben die Kleinanleger den Aktienpreis der amerikanischen Videospiel-Handelskette in die Höhe. Der Kurs, der 2019 noch bei rund fünf Dollar stand, explodierte – zwischenzeitlich wurde eine Gamestop-Aktie mit 483 Dollar gehandelt. In der Community herrschte Euphorie: „Ich kann mein Studiendarlehen abbezahlen und ein paar Multimillionäre verlieren Geld – eine win-win-Situation“ kommentierte ein Reddit-User.
Broker schränkt Trading ein
Doch bald folgte die Ernüchterung, als Onlinebroker wie das amerikanische Robinhood den Handel beschränkten. Der Kauf der Aktie wurde vorübergehend ausgesetzt, nur noch Verkäufe waren möglich. Die Handelsplattform geriet so in die Kritik, Großinvestoren zu bevorzugen. Auch der zukünftige Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown, kritisierte kurz nach dem Ereignis den Zustand der Aktienmärkte auf Twitter: „Die Wall Street-Leute kümmern sich nur dann um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen etwas wehtut“.
Hedgefonds sind notwendiges Korrektiv
Während die Situation um den Gamestop-Kurs zwar zeigt, dass auch Hedgefonds verwundbar sind, sehen die meisten Experten dennoch keinen bevorstehenden Paradigmenwechsel. „Die große Demokratiebewegung sehe ich nicht,“ so Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gegenüber Börse Online „Den neuen Akteuren geht es auch nur um Geld. Und Shortseller wie die großen Hedgefonds sind ein notwendiges Korrektiv am Kapitalmarkt. Um gravierende Überbewertungen einzelner Aktien und Unternehmen zu verhindern.“
Zuletzt wurde im Fall Wirecard diese regulierende Kraft der Shortseller deutlich. Sie waren unter den Ersten, die die Ungereimtheiten im Unternehmen entdeckt hatten. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch sieht durch Neo-Broker keine neuen Machtverhältnisse an der Börse und äußerte sich gegenüber Deutschlandfunk eher kritisch: „Ich bin der Meinung, dass sich an der radikal ungleichen Machtverteilung durch so etwas wie diese neuen Markt-Apps nicht viel verändert hat.“ Auch die gemeinsame Organisation in Foren wie Reddit sei noch lange nicht antikapitalistisch. „Da geht’s eher darum, dass die Leute glauben, sie sind die besseren Aktienhändler. Das macht sehr deutlich, dass wir es hier mit spekulativen Dynamiken zu tun haben. Da ist sehr fragwürdig, ob das irgendeinen gesellschaftlichen Mehrwert hat.“
Höher Zugänglichkeit, aber kein Paradigmenwechsel
Die steigende Anzahl an privaten Kleininvestoren zeigt also insbesondere, dass der Aktienmarkt als Geldanlage attraktiver geworden ist. Dazu trägt auch die höhere Zugänglichkeit durch Onlinebroker bei. Doch ein radikaler Shift ist das nicht. Der Fall Gamestop ist lediglich ein extremes Beispiel davon, was neue Möglichkeiten mit sich bringen können. Sie sind insofern ein Schritt in Richtung Demokratisierung. Der Wertpapierhandel wird sich dadurch aber wohl nicht in seinen Grundfesten erschüttern lassen.