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Digitalisierung

Vom Allgäu aus die digitale Welt gestalten

OMR Gründer Christian Müller
Christian Müller spricht über die Digitallandschaft
Christian Müller ist Co-Founder der Hamburger Digitalplattform OMR. Im Interview spricht er über die deutsche Digitallandschaft und warum sich sein Wohnort im Allgäu und sein Beruf perfekt ergänzen.

Christian, OMR erhebt jährlich die „State of the German Internet“-Marktstudie. Was sagt sie über 2020?

CHRISTIAN MÜLLER: Auch 2020 beherrschen die globalen Plattformriesen das deutsche Internet. Gerade im Bereich Marketing haben wir eine starke Dominanz seitens der großen drei: Facebook, Google und mittlerweile auch Amazon. Hier gibt es aus deutscher Sicht keine relevanten Wettbewerber. Natürlich haben wir aber auch bei uns Champions. Besonders im E-Commerce haben Zalando oder auch AboutYou für den Bereich Kleidung eine mittlerweile europaweite Führungsrolle eingenommen. Generell hat E-Commerce dieses Jahr einen extremen Aufschwung erlebt. Durch die Covid-19-Pandemie hat dieses Thema einen gewaltigen Satz nach vorne gemacht und dabei gefühlt die Entwicklung ganzer Jahre übersprungen. Denn immer mehr stationäre Händler sowie kleinere und mittlere Unternehmen haben sich der Digitalisierung geöffnet – obwohl viele von ihnen zuvor noch sehr zurückhaltend waren.

 

Welche Auswirkungen wird dieser Trend auf das Jahr 2021 haben?

Es wird für alle Unternehmen, ob B2C oder B2B, die große Aufgabe sein, die Bereiche E-Commerce, digitale Vertriebskanäle und digitales Marketing noch weiter zu stärken und in diesem Zuge möglichst direkte Kundenbeziehungen aufzubauen. Denn bisher sind die gerade genannten großen Plattformen oftmals die Gatekeeper zwischen einem Unternehmen und dessen Kunden. Ich als Unternehmer muss mir jetzt die Frage stellen: Möchte ich das weiterhin? Klar kann ich meine Produkte über Amazon vertreiben – das spart mir zum Beispiel den Aufbau einer eigenen Shop-Plattform. Allerdings ist Amazon dann auch derjenige, der die Kundenbeziehung ein Stück weit kontrollieren kann: Möchte ich zum Beispiel, dass mein Produkt bei den Suchergebnissen ganz oben erscheint, dann muss ich das – je nach Konkurrenz – womöglich teuer bezahlen.

 

Was rätst du Unternehmen also stattdessen?

Sich von diesen Plattformen etwas unabhängiger zu machen. Ich muss mich und meine Marke so vermarkten, dass die Leute meine Produkte kennen – und dann im Idealfall auch direkt in meinem eigenen Onlineshop bestellen. Dafür braucht es die entsprechenden Akquise-, Marketing- und Kundenbindungsmaßnahmen und womöglich Investitionen in die Marke, den digitalen Produkt­auftritt sowie eine konsequente Transformation aller kundenrelevanten Prozesse ins Digitale. Das Ziel sollte immer sein: Für die eigenen Kunden Erlebnisse schaffen, die begeistern und zum Schluss dazu führen, dass nicht nur meine Marke bekannt wird, sondern eben auch meine Umsätze steigen.

 

Du hast deinen Wohnsitz in Hamburg eingetauscht gegen das Allgäu. Warum dieser Wechsel?

Der Wunsch hat sich bereits über einige Jahre hinweg entwickelt. Hamburg ist eine tolle Stadt, die in über 15 Jahren zu einer zweiten Heimat für mich wurde. Ich durfte dort sehr viel erleben, habe tolle Leute kennengelernt und verschiedene Unternehmen gegründet. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem ich die Vorteile der Stadt – feiern gehen, von einer Bar in die nächste ziehen, jede Woche ein anderes Konzert besuchen – nicht mehr genutzt habe. Stattdessen haben mich immer öfter die Nachteile gestört: der Lärm, der Verkehr, die vielen Menschen. Und dann war es schlussendlich kein allzu schwieriger Schritt mehr, dem Leben nochmal eine andere Wendung zu geben. Jetzt lebe ich im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Land: Ich habe einen kleinen Hof mit drei Ferienwohnungen zum Vermieten umgebaut, mitten in der Allgäuer Natur. Und das ist meiner Meinung nach einer der schönsten Flecken Deutschlands.

 

Wie passen deine Leidenschaft für digitale Themen und ein Hof auf dem Land zusammen?

Für mich macht es gerade die Kombination aus. Ich bearbeite beispielsweise vormittags meine OMR-Tasks und bin in Calls. Am Nachmittag wiederum ist dann der Hof dran – oder andersherum. Diese beiden Welten miteinander zu verknüpfen sorgt bei mir für einen tollen Ausgleich. Wenn ich nur eines hätte, würde mir das andere fehlen.

 

Wie klappt die Arbeit für OMR auf die Entfernung?

Ich sage es mal so: Das, was alle seit dem Frühjahr machen – Homeoffice, Remote Work –, mache ich bereits seit einigen Jahren. OMR ist ein digitales Unternehmen, wir hatten dafür schon immer eine große Offenheit und die entsprechenden Tools waren ebenfalls da. Tatsächlich bemerke ich in den letzten Monaten aber einen für mich positiven Effekt dadurch, dass jetzt alle von außerhalb zugeschaltet werden: Zuvor waren bis auf mich alle gemeinsam in den Büroräumen, da wird doch immer wieder mal auf dem Flur gesprochen und das bekomme ich dann nicht mit. Jetzt ist die Kommunikation eine andere, gleichwertigere. Dennoch freuen wir uns alle auch schon sehr darauf, irgendwann wieder mehr im Büro zu sein, die Kollegen zu sehen und einen normaleren Alltag zu haben.

 

Was steht in den nächsten Monaten bei dir an?

Wir bauen gerade den Bereich OMR Reviews auf, unsere vierte Säule neben Event, Content und Education. Das wird eine Review-Plattform, die es ermöglicht, Software zu bewerten. Denn Kundenbeurteilungen sind vielen Nutzern wichtiger als die Marketingtexte des Anbieters, da sie ehrlicher und oft auf die eigenen Bedürfnisse besser abgestimmt sind. Für Business Software gibt es aber bisher keine nennenswerten Plattformen – hier kommen wir ins Spiel. OMR Reviews soll potenziellen Käufern in Zukunft die Entscheidung für eine Software erleichtern. Das ist eines unserer großen Wachstumsthemen für 2021 und sorgt dafür, dass auch wir unser Produktportfolio weiter digitalisieren.

 

 

Bilder: Bernd Jaufmann; Christian Müller/Business Innovation Week Zürich 2019

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